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Auch Saisonarbeiter aus dem EU-Ausland haben Anspruch auf Kindergeld in Deutschland

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Update

Kosten von einer Milliarde Euro: EU-Saisonarbeiter haben in Deutschland Anspruch auf Kindergeld

Der Staat muss seit einem Gerichtsurteil aus dem Jahr 2012 auch Saisonarbeitern Kindergeld zahlen. Das kostet den Bund bis Ende 2014 rund eine Milliarde Euro - auch weil rückwirkend gezahlt werden muss. Nun empört sich die CSU.

Saisonarbeiter aus dem EU-Ausland haben in Deutschland Anspruch auf Kindergeld, auch wenn ihre Kinder weiter im Heimatland leben. Das hat der Europäische Gerichtshof im Sommer 2012 in einem Urteil klargestellt. Seitdem ist die Zahl der Kindergeldanträge von Ausländern sprunghaft gestiegen. Welche Auswirkungen das auf den Bundeshaushalt haben wird, hat das Finanzministerium nun ausgerechnet. Bis Ende des Jahres rechnen die Ministeriumsexperten mit Mehrausgaben von insgesamt einer Milliarde Euro, wie aus der Antwort auf eine schriftliche Frage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Franziska Brantner hervorgeht.

Der Bund muss auch rückwirkend zahlen

Die vergleichsweise hohe Summe kommt dadurch zustande, dass Kindergeld für bis zu vier Jahre rückwirkend beantragt werden kann – so wie eine Steuererstattung. Für die Jahre 2008 bis 2011 erwartet das Finanzministerium Mehrausgaben von 400 Millionen Euro, ab dem Jahr 2012 werden diese auf 200 Millionen Euro pro Jahr beziffert. Bis Ende 2014 kommt so die Summe von rund einer Milliarde Euro zustande. Insgesamt gab der Staat zuletzt 38,5 Milliarden Euro für Kindergeld aus.

„Die Bundesregierung hält europarechtliche Vorgaben ein“, heißt es laut „Rheinischer Post“ in einer Antwort des Finanzministeriums auf die Anfrage der Grünen. Familienbezogene Leistungen und namentlich das Kindergeld für Familienangehörige, die in einem anderen EU-Mitgliedsstaat wohnen, seien zu gewähren. Die CSU fordert nun, die Zahlungen für im Ausland lebende Kinder von hier ansässigen EU-Ausländern gesetzlich zu ändern. „Die Höhe des Kindergeldes sollte abhängig sein vom Wohnort der Kinder und den dortigen Lebenshaltungskosten“, sagte Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt der „Passauer Neuen Presse“. „Falsche Anreize nach Deutschland zu kommen, müssen dringend vermieden werden."

Die CSU will eine Änderung des EU-Gesetzes

Auch der CSU-Spitzenkandidat für die Europawahl, Markus Ferber, warnte auf Zeit Online vor den Kosten für Sozialleistungen an EU-Arbeitsmigranten. "Jetzt zeigt sich, dass es bei der Diskussion um die Kosten dieser Sozialleistungen nicht nur um ein paar Einzelfälle geht", betonte der CSU-Politiker. "Es ist Zeit, gegenzusteuern - gerade jetzt, wo die Haushaltskonsolidierung Vorrang haben muss." Ferber verlangte, die Rechtslage anzupassen. "Wir müssen auf europäischer Ebene gesetzlich klarstellen, dass Arbeitseinwanderer nicht automatisch Zugang zu Kindergeld, Hartz IV und Grundsicherung erhalten."

Der Europäische Gerichtshof hatte 2012 entschieden, dass EU-Wanderarbeiter während ihres Aufenthalts in Deutschland Anspruch auf Kindergeld haben, wenn sie uneingeschränkt steuerpflichtig sind. Geklagt hatten zwei Polen, die für mehrere Monate in Deutschland tätig waren und deren Anträge auf Kindergeld abgelehnt worden waren. Der Bundesfinanzhof hatte die Klagen an die Luxemburger Richter überwiesen. Die entschieden damals, dass ein kategorischer Ausschluss von Familienleistungen unzulässig sei. Die Wanderarbeiter aus anderen EU-Ländern hätten auch dann Anspruch auf Kindergeld in Deutschland, wenn es in ihren Ländern vergleichbare Leistungen gebe. Allerdings werden diese mit den Kindergeldansprüchen in ihrer Heimat verrechnet.

Familienkassen kämpfen mit der Antragsflut

Im Vergleich zu den osteuropäischen Nachbarländern fällt das Kindergeld in Deutschland hoch aus. Für die ersten beiden Kinder beträgt es mindestens 184 Euro im Monat, für das dritte Kind 190 Euro und ab dem vierten Kind 215 Euro. In Polen hingegen erhalten Eltern maximal 20 Euro pro Kind. Seit dem Gerichtsurteil ist die Zahl der Anträge von Ausländern auf Kindergeld bei den Familienkassen spürbar gestiegen – bis Ende 2013 um 30 Prozent. Die Familienkassen hatten mit der Antragsflut erst einmal zu kämpfen: Rund 30.000 Anträge seien derzeit noch nicht abgearbeitet, sagte ein Sprecher der Bundesagentur für Arbeit (BA), unter deren Dach die Familienkassen arbeiten. Die Prüfungen seien zeitaufwändig. So müssten die Mitarbeiter der Familienkassen sich beispielsweise mit den Heimatbehörden in Verbindung setzen, um zu überprüfen, ob der Antragsteller auch dort Kindergeld bezieht. „Es kann sein, dass es ein halbes oder Dreiviertel Jahr dauert, bis so ein Schriftwechsel vollzogen ist“, sagte der Sprecher. Er zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass der Rückstand bis zum Jahresende abgebaut sein wird. Damit die Anträge schneller bearbeitet werden können, soll auch zusätzliches Personal eingestellt werden. Der Bund stellt dafür in diesem Jahr zusätzlich 3,3 Millionen Euro zur Verfügung, wie der Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, Michael Meister, in seiner Antwort auf Brantners Anfrage schreibt.

Gericht soll auch klären, ob EU-Bürger Hartz IV bekommen

Mit Spannung wird in diesem Jahr ein weiteres Urteil des Europäischen Gerichtshofs erwartet, das spürbare Folgen haben könnte. Dabei soll geklärt werden, ob EU-Ausländer in Deutschland Anspruch auf Hartz IV haben, wenn sie keinen Job finden. Die CSU hatte Anfang des Jahres mit dem provokanten Slogan „Wer betrügt, der fliegt“ eine Debatte über Sozialleistungen für EU-Zuwanderer losgetreten. Eine Staatssekretärsrunde der Bundesregierung hatte daraufhin in einem Zwischenbericht festgestellt, dass es hierzulande zwar kein flächendeckendes Problem mit dem Missbrauch von Sozialleistungen gebe. Sie machten aber Vorschläge, wie Missbrauch verhindert werden soll. So sollen etwa die Vorgaben für die Auszahlung von Kindergeld verschärft werden.

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