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Innenminister Thomas de Maizière (rechts) und Luxemburgs Minister für Migrationsfragen, Jean Asselborn, am Dienstag in Brüssel.

© AFP

EU-Staaten ringen um Flüchtlingsverteilung: Freiwillige Solidarität

Beim Treffen der EU-Innenminister suchen die Mitgliedstaaten nach einer Lösung, bei der jedem Land ein Kontingent von Flüchtlingen beigemessen wird.

Es war eine harte Nuss, die die EU-Botschafter der 28 europäischen Mitgliedstaaten zu knacken hatten. Fast zehn Stunden lang suchten sie am Montag nach einer Zauberformel für die Verteilung der Flüchtlinge in den EU-Mitgliedstaaten, um sich anschließend auf den Folgetag zu vertagen. Bei den Verhandlungen zur Vorbereitung des EU-Innenministerrates am Dienstag sperrten sich mehrere osteuropäische Staaten weiter gegen eine verbindliche Regelung. Dennoch werde weiter nach einer Regelung gesucht, nach der jedem Mitgliedstaat ein Kontingent zur Aufnahme der Flüchtlinge beigemessen werde und die auf freiwilliger Basis erfüllt werden solle, hieß es in EU-Diplomatenkreisen. Nach den Angaben aus Regierungskreisen in Berlin ist zudem die Überlegung vom Tisch, dass sich Länder mit einer „Strafzahlung“ von 6500 Euro pro Flüchtling von einer Aufnahme der Schutzsuchenden „freikaufen“ können.

Beim EU-Sondergipfel soll die Verteilungsfrage ausgeklammert werden

Die heikle Frage der Verteilung soll indes bei einem EU-Sondergipfel ausgeklammert werden, bei dem die sich die Staats- und Regierungschefs an diesem Mittwochabend in Brüssel ebenfalls mit der Flüchtlingskrise befassen wollen. Bei dem Treffen, das auf Initiative von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und des österreichischen Regierungschefs Werner Faymann zustande gekommen war, soll es in erster Linie um die außenpolitischen Aspekte der Krise gehen.

Der Flüchtlingsgipfel im Juni endete in einem Fiasko

EU-Ratschef Donald Tusk hatte vor dem Sondergipfel ein Einladungsschreiben verschickt, das selbstkritisch das mangelnde Krisenmanagement der europäischen Mitgliedstaaten ins Visier nahm. „Allzu lange waren unsere Diskussionen darauf beschränkt, die Verantwortung bei anderen abzuladen“, hatte Tusk geschrieben. Bei dem Sondergipfel wollen die Staats- und Regierungschefs nun dokumentieren, dass sie zu einem gemeinsamen Handeln fähig sind. Im Juni war ein Gipfeltreffen in der Flüchtlingsfrage wegen der Weigerung osteuropäischer Staaten, sich an an einem verbindlichen System zur Flüchtlingsverteilung zu beteiligen, in einem Fiasko geendet. Damals sagte der italienische Regierungschef Matteo Renzi nach den Angaben von Teilnehmern: „Wenn das eure Idee von Europa ist, dann könnt ihr es für euch behalten.“ In Regierungskreisen in Berlin wurden am Dienstag die Erwartungen an den Sondergipfel gedämpft. Die Lösung der Flüchtlingskrise sei „keine Frage von Wochen, sondern eher von Monaten und Jahren“, hieß es.
Diplomaten zufolge werden die Staats- und Regierungschefs die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini mit dem Aufbau eines „politischen Dialogs“ zu Migrationsfragen betrauen. Dabei geht es einerseits um eine stärkere finanzielle Unterstützung für die zwei Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei. Das Land müsse auch „mehr tun gegen Menschenhändler und Schlepper“, hatte der für die EU-Nachbarschaftspolitik zuständige Brüsseler Kommissar Johannes Hahn gesagt. „Bis zu einer Milliarde Euro“ könnten dafür aus anderen europäischen Programmen umgewidmet werden, so der Österreicher weiter, „wenn die Türkei das will“. Teil eines solchen Pakets wäre auch eine enge Kooperation an der Grenze zu Griechenland und in der Ägäis. Die EU will zwar selbst ihre Grenzschutzagentur Frontex mit mehr Geld und Gerät ausstatten, doch wird man nach der Einschätzung des Bundeskanzleramts „zentrale Fortschritte nur dann erreichen, wenn man das zusammen mit der Türkei macht“.

OECD: Deutschland ist zweites Einwanderungsland nach den USA

Die OECD, der Zusammenschluss der 34 reichsten Industriestaaten der Welt, wies am Dienstag darauf hin, dass Deutschland zwar im Kreis der reichen Länder das zweitwichtigste Einwanderungsland nach den USA sei. Was die Aufnahme von Flüchtlingen angehe, lägen aber Ungarn, Österreich und Schweden gemessen an der Einwohnerzahl noch vor Deutschland – wobei bereinigte Zahlen für Ungarn sicher niedriger lägen, weil viele Flüchtlinge dort nicht bleiben wollen und auch anderswo ihren Asylantrag stellen. Der OECD-Migrationsexperte Thomas Liebig, der die Migrationsprognose der Organisation für dieses Jahr vorstellte, sagte, aktuell machten Flüchtlinge 0,1 Prozent der EU-Bevölkerung aus. „Das sollte doch zu schaffen sein“, so Liebig. Besonders in Deutschland seien die Bedingungen für eine Aufnahme der Schutzsuchenden besser als auf dem Höhepunkt der früheren Fluchtwelle in den Neunzigerjahren. Deutschland stehe wirtschaftlich gut da, und anders als vor 25 Jahren schieden mehr Arbeitnehmer aus dem Berufsleben aus, als Anfänger der nächsten Generation bereitstünden.

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