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EU und Irland: Mach doch mal 'ne Pause!

Nach dem Nein der Iren bei der Volksabstimmung über den EU-Vertrag von Lissabon wissen Außenpolitiker nicht so recht, was sie nun tun sollen. Eine Variante: Sie malen drastische Szenarien wie eine Neugründung der EU auf. Wäre so etwas möglich?

Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier zum Beispiel denkt darüber nach, dass Irland eine Pause machen soll. Der SPD-Europaparlamentarier Martin Schulz spricht eine "Neugründung" an: Staaten, die den neuen EU-Vertrag wollen, sollen sämtliche vorhergehenden Verträge aufkündigen und "auf der Grundlage des neuen EU-Vertrags die Europäische Union neu gründen." Geht das?

Könnte Irland eine Zeitlang aus der EU austreten?

Die Theorie: "Laut EG-Vertrag ist ein Ausstieg nicht möglich", sagt Martin Nettesheim, Professor für Europarecht an der Universität Tübingen. Denn die Verträge sind so angelegt, dass sie unbefristet, also auf ewig gelten. Aber alle Staaten zusammen könnten einen Vertrag abschließen, der einem einzelnen Land den Ausstieg erlaubt.

Die Machbarkeit: Auch wenn es nicht vorgesehen ist, könnten Staaten aussteigen und mit einer Übergangsfrist von mehreren Jahren zurückkehren in die Vor-EU-Phase. "Irland würde in die Efta zurückkehren, die Europäische Freihandelszone", sagt Eckart Stratenschulte von der Europäischen Akademie Berlin. Und das Land müsste im Prinzip all das wieder einführen, was es in den vergangenen Jahren abgebaut hat, zum Beispiel eine eigene Zollverwaltung.

Die Realität: Die Europäische Union ist sehr stark verzahnt, zum Beispiel bei ihrem gemeinsamen Binnenmarkt, bei Einfuhrzöllen, in der Anerkennung von Diplomen, in der Umweltpolitik. Irland würde hier komplett ausscheren. Stratenschulte sieht Aussagen wie die von Steinmeier deswegen als "Folterwerkzeuge, die den Iren nun gezeigt werden". Die Überlegungen sind eher politisch als rechtlich konkret. Das Ziel: Die Iren stimmen einem leicht veränderten EU-Vertrag zu, und alles wird gut.

Wie sieht es mit einer "Neugründung" aus - eine EU der Willigen gewissermaßen?

Die Theorie: Sämtliche Staaten, die dem EU-Vertrag von Lissabon zugestimmt haben, kündigen erst einmal alle bestehenden EG-Verträge. Und gründen sich dann eine neue Teil-EU, in der der Reformvertrag gilt.

Die Machbarkeit: "Es gibt keinen rechtlich einwandfreien Weg", sagt der Europa-Experte Stratenschulte. Denkbar ist eher, dass sich die restlichen 26 Mitgliedsländer zusammentun und alle bis Jahresende dem Vertrag von Lissabon in ihrem Land zustimmen. Wie allerdings ein Europa der 26 in einem System der 27 aussehen würde, ist nicht ganz einfach: "Da können Juristen jahrlang darüber nachdenken", sagt Europarechtler Nettesheim. Er verweist aber auch auf die "weiche Version" Anfang der Neunziger. Großbritannien wollte 1992 dem Sozialprotokoll zum Vertrag über die Europäische Union nicht zustimmen. Die Briten behielten ihren EU-Kommissar, durften aber im Europäischen Rat aus Staats- und Regierungschefs und Außenministern nicht mehr mitmischen. Nach einer Zeit der zwei Geschwindigkeiten gab Großbritannien den Widerstand auf zog wieder im einheitlichen Europa mit. Ähnliches wäre bei Irland denkbar.

Die Realität: Europa-Fachmann Stratenschulte rechnet mit einer klaren politischen Lösung. Denn er befürchtet "Zentrifugalkräfte", dass sonst immer mehr Einzelstaaten für sie genehme Lösungen durchdrücken wollen. Ein Europa mehrerer Geschwindigkeiten würde bedeuten, dass immer mehr Entscheidungen inoffiziell unter den Großen getroffen werden. "Je schlechter die Institution funktioniert, desto stärker sind die inoffiziellen Absprachen", sagt Stratenschulte. Allerdings gibt es auch heute schon zwei Geschwindigkeiten, Großbritannien, Dänemark und Schweden haben freiwillig dafür gestimmt, den Euro nicht einzuführen. In weiteren elf EU-Staaten haben den Euro nicht, weil sie Voraussetzungen dafür nicht erfüllen.

Michael Hörz

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