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Politik: EU will sich im Kosovo stärker engagieren

Brüssel könnte Aufgaben der UN übernehmen / Boykottaufruf der Serben vor Wahlen am Samstag

Unmittelbar vor den Parlamentswahlen am Samstag im Kosovo hat sich die Europäische Union für eine stärkere Rolle in dem seit 1999 von den UN verwalteten Protektorat ausgesprochen. „Wir haben das Ziel, die EU-Präsenz im Kosovo zügig voranzubringen“, sagte Christina Gallach, Sprecherin des EU-Außenbeauftragten Javier Solana.

Im Unterschied zu den ersten Parlamentswahlen 2001 werden die 120 Abgeordneten der Kosovo-Versammlung dieses Mal nicht für drei, sondern für vier Jahre gewählt. Es wird damit gerechnet, dass in dieser Zeit die Verhandlungen über den endgültigen Status des völkerrechtlich weiterhin zu Serbien-Montenegro gehörenden Protektorats beginnen – wahrscheinlich unter Federführung eines EU-Sondervermittlers. Sowohl die Demokratische Liga des Kosovo (LDK) von Präsident Ibrahim Rugova als auch die vom früheren Chef der Kosovo-Befreiungsarmee (UCK), Hashim Thaci, geführte Demokratische Partei des Kosovo (PDK) plädieren für die Unabhängigkeit. Die Regierung in Belgrad lehnt einen solchen Schritt jedoch entschieden ab.

Für ein Auslaufen der UN-Übergangsverwaltung im Kosovo (Unmik) plädiert auch der im Vorfeld des Kosovokrieges 1999 zum EU-Sondervermittler ernannte österreichische Diplomat Wolfgang Petritsch, der später an der Spitze der Protektoratsverwaltung in Bosnien-Herzegowina stand. „Man muss die Unmik europäisieren“, sagte er dem Tagesspiegel. Der Leiter des Balkan-Stabilitätspakts, Erhard Busek, setzt sich ebenfalls für eine Ablösung der UN ein: „Die EU ist für die Verwaltung des Kosovo weitaus besser geeignet, weil sie im Unterschied zu den Vereinten Nationen über Erfahrungen in Transitionsstaaten verfügt.“

Zuvor hatte der norwegische Diplomat Kai Eide in einem von UN-Generalsekretär Annan in Auftrag gegebenen Bericht eine stärkere Rolle Brüssels im Kosovo gefordert. Nach Klärung der Statusfrage müsse „die EU die internationale Führungsrolle übernehmen“, heißt es in dem Papier, das eine Umstrukturierung der Unmik als „unumgänglich“ bezeichnet.

Die UN sehen sich seit März scharfer Kritik ausgesetzt, nachdem kosovo-albanische Extremisten in zweitägigen Pogromen mindestens 4000 Kosovo-Serben und Angehörige anderer Minderheiten vertrieben hatten. Neunzehn Menschen kamen ums Leben. Die Parlamentswahl am Samstag findet daher auch vor dem Hintergrund eines Boykottaufrufs des nationalkonservativen serbischen Ministerpräsidenten Vojislav Kostunica statt, der die Sicherheit der serbischen Minderheit nicht gewährleistet sieht. Der sozialdemokratische Präsident Boris Tadic hingegen befürwortet eine Teilnahme der rund 100 000 Kosovo-Serben. Unabhängig von der Stimmenzahl, die sie erlangen, sind zehn Sitze für Vertreter der Minderheit reserviert. Außerdem gehen zehn weitere Mandate an die Repräsentanten der Minderheiten von Roma, Ashkali, Ägyptern, Bosniern, Türken und Gorani. Die Nato-geführte Schutztruppe Kfor hat ihre Präsenz im Vorfeld der Wahl um 2000 auf über 20 000 Mann vergrößert.

Markus Bickel[Pristina]

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