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IWF-Chefin Christine Lagarde bleibt unnachgiebig - nur ein Schuldenschnitt kann ihrer Ansicht nach Griechenlands Probleme lösen.

© dpa

Euro-Finanzminister können sich nicht einigen: Wer hat Schuld am Scheitern der Griechenland-Verhandlungen?

Die Zeit für die Griechen drängt: Sie sparen und sparen, aber die Schulden werden nicht geringer. Und doch haben sich Europas Finanzminister wieder nicht auf neue Hilfen für Griechenland einigen können. Wer ist Schuld daran?

Griechenland soll im Euro-Raum bleiben – aber es darf nichts zusätzlich kosten. Diese sich ausschließenden Vorgaben aus Berlin verzögern die Hilfszahlungen für Griechenland weiter. Ein griechischer EU-Diplomat drückte es nach der zwölfstündigen Sitzung der Finanzminister so aus: „Diese Verschiebung ist doch verrückt: Wir haben ein Land am Rande der sozialen Explosion und Märkte, die wieder fragen werden, ob Europa fähig ist, seine internen Probleme zu lösen.“

Auch Dokumente und Aussagen von EU-Diplomaten legen dagegen nahe, dass die inhaltlichen Differenzen keineswegs ausgeräumt sind. Der Chef der Euro-Gruppe, Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker dagegen sprach hingegen lediglich von einer „Sitzungsunterbrechung“ und „technischer Arbeit“, die bis zur nächsten Sondersitzung am kommenden Montag noch zu leisten sei. „Wir sind nah an einem Ergebnis, es gibt keinen größeren Stolperstein.“

Immer wieder zogen sich die Minister und ihre Experten in kleinen Gruppen zum Rechnen zurück – weil es vor allem zwei Zahlen sind, die für das Dilemma stehen: Da sind die 33,6 Milliarden Euro an Mehrkosten für das zweite Hilfsprogramm, wenn es – wie jetzt vereinbart – bis 2016 und damit zwei Jahre länger laufen soll. Vor allem aber ist da die Zielmarke von 120 Prozent, die Athens Schuldenberg im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung einmal erreichen soll. An diesen als gerade noch verkraftbar angesehenen Wert knüpft der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Beteiligung an der gesamten Rettungsaktion. Die Finanzexperten-Troika von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und IWF hat aber veranschlagt, dass Athens Schuldenberg ohne entsprechende Maßnahmen 2020 bei 144 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen wird.

Griechenlands Schuldenlast über einen Mix verschiedener Maßnahmen zu reduzieren – darum ging es in dem Brüsseler Sitzungsmarathon. Massiv erschwert wurde die lange Nacht der Mathematik durch politische Vorgaben, die zumindest noch nicht miteinander in Einklang zu bringen waren. Zu diesen „roten Linien, die die Mitgliedstaaten gesetzt haben“, wie es in dem Papier heißt, gehört, dass es „keinen Schuldenschnitt“ und „kein frisches Geld für die Programmfinanzierung“ geben darf. Gepaart mit dem erklärten Willen, eine Staatspleite Griechenlands am Monatsende und damit dessen Ausscheiden aus dem Euro-Raum zu verhindern, war dies das Rezept für das vorläufige Scheitern.

Zu den „kostenlosen“ Möglichkeiten, den Griechen die Last der Schulden von den Schultern zu nehmen, gehört ein etwas höherer Haushaltsüberschuss, den die griechische Regierung zum Ende der Laufzeit erzielen müsste. Gedacht ist an fünf statt vier Prozent – was jedoch der Währungsfonds angesichts schon mehrfach unterbotener Wirtschaftsprognosen schlicht für „unrealistisch“ hält.

Lediglich einen Verzicht auf Zinsgewinne stellt die Verringerung der Zinsen und Gebühren für die Griechenland bisher schon bilateral gewährten Kredite dar. Eine Reduzierung auf 0,25 Prozentpunkte oberhalb dem Referenzwert Deutschlands als angesehensten Schuldner würde den Schuldenberg immerhin um 5,1 Prozentpunkte kleiner werden lassen. Allerdings käme dies bei einigen Euro-Ländern einem realen Verlust gleich, da sie sich zu deutlich höheren Kosten an den Kapitalmärkten refinanzieren als die Bundesrepublik. Eine Stundung wird genauso diskutiert wie eine Verlängerung der Laufzeiten um zehn Jahre, was nicht den Schuldenberg reduzieren, aber doch das aktuelle Loch etwas kleiner machen würde.

Teil des Pakets soll ein sogenanntes Schuldenrückkaufprogramm sein. Weil Athens Schuldscheine derzeit deutlich unter dem Nominalwert gehandelt werden, könnten mit zehn Milliarden Euro Papiere mit einem Rückzahlwert von 20 bis 25 Milliarden Euro vom Markt genommen werden. Angela Merkel hat sich gestern schon bereit erklärt, Griechenland dieses Geld aus dem Euro-Rettungsschirm zukommen zu lassen. Ähnlich liefe ein Modell über die Europäische Zentralbank: Sie hat viele hellenische Bonds zu einem geringerem als dem Ausgabewert gekauft. Bedient Athen diese Schulden, machen Europas Notenbanken einen Gewinn, den die Euro-Länder wiederum an Griechenland zurückreichen könnte.

Doch selbst wenn alle umstrittenen Maßnahmen umgesetzt würden, könnte es den Berechnungen der Euro-Gruppe zufolge frühestens 2022 zu einem Schuldenstand von 120 Prozent kommen. Deshalb will sie die Landezone zeitlich um zwei Jahre nach hinten verlegen. IWF-Chefin Christine Lagarde beharrt dagegen darauf, dass „die griechische Schuldentragfähigkeit im Jahr 2020 gemessen werden muss“. Soll ihre Organisation weiter mitmachen, muss Athen dann die 120 Prozent erreicht haben, was wiederum laut IWF ohne Schuldenschnitt nicht funktioniert – schließlich sind die Euro-Staaten mittlerweile die größten Gläubiger Griechenlands. Das wird aber politisch nicht durchsetzbar sein.

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