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Unter zunehmender Kritik: Verteidigungsminister Thomas de Maizière

© dpa

Umstrittenes Drohnen-Projekt: "Euro Hawk"- Affäre: Druck auf de Maizière wächst

Das Vorenthalten von Informationen zum Scheitern des Drohnen-Projekts "Euro Hawk" war laut einer Analyse rechtswidrig. Außerdem soll es bereits 2011 und 2004 Probleme und Warnungen bezüglich der Drohne gegeben haben. Von mehreren Seiten werden nun personelle Konsequenzen gefordert.

Nach dem Scheitern des Drohnenprojekts „Euro Hawk“ gerät Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) immer stärker unter Druck. Offenbar war es rechtswidrig, dass das Ministerium dem Bundesrechnungshof Informationen dazu vorenthielt. Das geht aus einer Analyse des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags vom Januar hervor, aus der die „Bild“-Zeitung (Dienstag) zitiert.

„Vereinbarungen, die verhindern sollen, das bestimmte Informationen an den Bundesrechnungshof herausgegeben werden, sind nichtig“, heißt es darin. Das Verteidigungsministerium hatte seine teilweise Informationsverweigerung dem Rechnungshof mit einer Schweigeklausel gegenüber den US-Vertragspartnern begründet.

Der Verteidigungsexperte der Grünen im Bundestag, Omid Nouripour, forderte den Minister auf, den politisch Verantwortlichen für den späten Entwicklungsstopp zu benennen. „Er stiehlt sich aus der Verantwortung“, kritisierte Nouripour in der „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Dienstag). De Maizière habe in den vergangenen Jahren viel über eine „Kultur der Verantwortung“ geredet. „Er sollte sich jetzt daran erinnern und erklären, wer die politische Verantwortung für das Drohnen-Debakel trägt.“

Der Bund der Steuerzahler fordert derweil schnelle Aufklärung und personelle Konsequenzen in der Affäre. Hier seien eine halbe Milliarde Euro an Steuergeldern verschwendet worden, sagte der Präsident des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel, der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstagausgabe). „Im Bundesverteidigungsministerium müssen Köpfe rollen.“ Der Steuerzahler müsse wissen, dass so etwas nicht ohne Folgen bleibe.

De Maizière hatte das Projekt der Aufklärungsdrohne „Euro Hawk“, das bereits mehr als eine halbe Milliarde Euro gekostet hat, vorige Woche gestoppt. Die Opposition verlangt detailliert Aufklärung, warum das nicht früher geschah. „Schon 2011 ist klargeworden, dass die Drohne die Zulassung für den zivilen Luftraum nicht bekommen wird“, sagte der SPD-Verteidigungsexperte Hans-Peter Bartels an Pfingsten der Nachrichtenagentur dpa. Grund sei der fehlende Kollisionsschutz.

Bereits 2011 "erhebliche Probleme" bei Überführung der Drohne

Nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ gab es bereits bei der Überführung von Kalifornien zum Luftwaffenstützpunkt im bayerischen Manching im Juli 2011 erhebliche Probleme. Demnach verschwieg die Bundeswehr, dass der Pilot bei der Überführung einer Musterdrohne zweimal für etwa zehn Minuten den Satellitenkontakt zu dem unbemannten Fluggerät verlor, das dabei vom programmierten Kurs abkam. Mitte 2011 war de Maizière bereits Verteidigungsminister. Vergangene Woche hatte er das Drohnenprojekt wegen massiver Probleme bei der Zulassung für den europäischen Luftraum gestoppt.

Allerdings reichen die seinerzeit unter Experten bekannt gewordenen Probleme mit der Drohne nach dem Bericht der Zeitung auch in die Ära Rot-Grün zurück. So hätten bereits im Jahr 2004 Flugsicherung, Industrie und die Bundeswehr-Zulassungsstelle auf den fehlenden Kollisionsschutz des „Euro Hawk“ hingewiesen. Dagegen habe das Verteidigungsministerium den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses des Bundestages mitgeteilt, erst Ende 2011 sei deutlich geworden, dass eine Musterzulassung der Drohne noch einmal 500 bis 600 Millionen Euro verschlingen würde. Der fehlende Kollisionsschutz ist einer der Gründe dafür, dass die Drohne keine Genehmigung für den zivilen Luftraum erhält.

Neben den Problemen bei der Zulassung des „Euro Hawk“ stellen sich auch entscheidende Fragen für den militärischen Nutzen des hochfliegenden Langstrecken-Aufklärungsflugzeuges. Der „Euro Hawk“ ist die europäische Variante der US-Drohne „Global Hawk“, deren Einsatztauglichkeit allerdings in einem Bericht des Pentagon vom Mai 2011 mit Blick auf die Baureihe 30 angezweifelt wurde. Die Prüfer des Pentagon kamen in dem Bericht zu dem Ergebnis, dass die neue Drohnenversion des Herstellers Northrop Grumman nicht den Anforderungen der US-Luftwaffe an eine lückenlose Übermittlung von Daten bei Überwachung und Aufklärung genüge. Bemängelt wurde auch die unzureichende nachrichtendienstliche Informationsgewinnung, etwa aus abgehörten Funksignalen. Und schließlich müssten Flüge des „Global Hawk“ häufig abgebrochen werden.

FDP fordert Aussetzung weiterer Projekte

Der Koalitionspartner FDP fordert inzwischen vom Minister, die deutsche Beteiligung am Nato-Aufklärungssystem AGS auszusetzen, bis die Zulassung der dafür erforderlichen Drohne „Global-Hawk“ geklärt ist. „Ansonsten droht eine weitere Fehlinvestition in Millionenhöhe“, warnte die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff am Montag.

Nach der FDP forderte auch ein CDU-Politiker Konsequenzen. Ein ähnliches Drohnen-Projekt der Nato müsse umgehend gestoppt werden, solange die Zulassung für den europäischen Luftraum ungeklärt sei. „Das Projekt kann erst weiter finanziert werden, wenn geklärt ist, was passiert, wenn die Nato den europäischen Luftraum überfliegt“, sagte CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle der „Rheinischen Post“ (Dienstagausgabe). Das Aussetzen des „Global Hawk“-Projekts der Nato bis zur Klärung der Zulassungsfrage sei „eine logische Konsequenz“.

De Maizière hatte noch am 8. Mai, wenige Tage vor dem Stopp, dem Kabinett den „Bericht zum Stand der Neuausrichtung der Bundeswehr“ vorgelegt, in dem das unbemannte Fluggerät in einer Tabelle „Strukturrelevante Hauptwaffensysteme“ aufgeführt ist - ohne Hinweis auf die Probleme, wie auch die ARD berichtete.

Anfang Juni will sich de Maizière im Verteidigungsausschuss des Bundestages zum „Euro Hawk“ erklären. Dabei wird er nicht nur die Frage beantworten müssen, warum die Reißleine für das Projekt trotz der Mängel erst vergangene Woche gezogen wurde. Darüber hinaus dürfte es auch um die Frage der Transparenz gegenüber dem Bundesrechnungshof gehen. Bis heute habe die Behörde nicht alle angeforderten Unterlagen zu dem gescheiteren Beschaffungsprojekt erhalten, sagte ein Sprecher des Rechnungshofs. Ende 2011 forderten die Rechnungsprüfer die Akten vom Verteidigungsministerium an, erhielten aber nur bruchstückhafte Informationen – unter Hinweis auf US-Sicherheitsinteressen. (mit dpa)

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