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Euro-Hilfen: Soll immer der gesamte Bundestag abstimmen?

Das Bundesverfassungsgericht entscheidet am Dienstag darüber, in welcher Form der Bundestag an Eilentscheidungen der Regierung zur Euro-Rettung beteiligt werden muss. Welche Folgen kann das Urteil haben?

Von Hans Monath

Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte des Bundestags in europäischen Angelegenheiten zuletzt im vergangenen September gestärkt. Damals entschieden die Karlsruher Richter, dass die Volksvertreter alle deutschen Milliardenhilfen genehmigen müssen, bevor sie in Rettungspakete einfließen können. Nötig sei, dass das ganze Plenum zustimme, wenn es um Gesetze zur Eindämmung der Schuldenkrise gehe, schrieben sie vor. Die Zustimmung eines kleineren Gremiums, etwa des Haushaltsausschusses, genüge nur dann, wenn es um die Auszahlung einzelner Tranchen gehe.

Doch zwischen dem Wunsch der Bundesregierung, im Ernstfall schnell und überraschend auf den Finanzmärkten eingreifen zu können, und den Mitwirkungsrechten der Parlamentarier besteht ein extremes Spannungsverhältnis. Auch die Abgeordneten selbst können es nicht auflösen. Wenige Wochen nach dem Septemberurteil beschloss der Bundestag, dass in Fällen „besonderer Eilbedürftigkeit“ von Euro-Nothilfen nicht das 620 Abgeordnete zählende Plenum und auch nicht der Haushaltsausschuss mit seinen 41 Mitgliedern einberufen werden müssen. Vielmehr etablierten sie ein Sondergremium aus neun Mitgliedern des Haushaltsausschusses („9er-Gremium“).

Doch die SPD-Abgeordneten Peter Danckert und Swen Schulze sehen ihre Rechte als Parlamentarier verletzt und klagten in Karlsruhe gegen die Übertragung der Haushaltsverantwortung auf das Kleinstgremium. Ende Oktober stoppte das Gericht mit einer einstweiligen Anordnung die Neuner-Runde.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und andere Unionspolitiker argumentierten vor dem Gericht, mit steigender Zahl der Beteiligten wachse die Gefahr, dass die Pläne nicht mehr geheim gehalten werden könnten. Besonders vertrauliche oder eilbedürftige Einzelfälle dürften nicht im Plenum oder im Haushaltsausschuss debattiert werden. Denn mit den 41 Mitgliedern des Haushaltsausschusses, ihren Stellvertretern und Mitarbeitern seien dann rund 200 Personen in die geheimen Plänen eingeweiht. Wenn der Rettungsfonds etwa vorhabe, Staatsanleihen von Krisenländern zu kaufen, dürfe nicht vorab bekannt werden, wie viel Gelder er ausgeben wolle.

Die Verfassungshüter zeigten in der Verhandlung zwar Verständnis für die praktischen Zwänge der Euro-Rettung. Doch die Argumentation der Kläger beeindruckt sie offenbar. So bezweifelte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle, ob es richtig sei, alle Entscheidungen bei der Intervention des Rettungsfonds auf das Kleinstgremium zu übertragen. Beobachter halten es deshalb für wahrscheinlich, dass die Richter Nachbesserungen des Gesetzes verlangen: Wirklich dringende Entscheidungen über Nothilfen könnten sie dem Gremium zwar gestatten, weniger eilbedürftige Vorhaben – etwa zur Rekapitalisierung von Banken – aber dem Plenum vorbehalten. Hans Monath

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