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Euro-Krise: Ist Deutschlands Bonität in Gefahr?

Die US-Ratingagentur Moody's droht Deutschland mit negativen Aussichten für seine Kreditwürdigkeit. Spanien schwächelt weiter, wackelt aber nicht im selben Maße wie Griechenland. Kann Deutschland den Finanzmärkten trotzen? Und was bedeutet Moody's Drohung für Berlin?

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Die Nachricht, dass die US-Ratingagentur Moody’s die Aussichten für die Kreditwürdigkeit Deutschlands von AAA stabil auf negativ gesenkt hat, wurde hierzulande von den Politikern mit demonstrativer Gelassenheit aufgenommen. Doch hinter dieser stoischen Geste steckte auch die Furcht, die Bewertung aus den USA könnte Wasser auf die Mühlen jener Euroskeptiker leiten, die längst befürchten, Deutschland überhebe sich mit seiner Hilfsbereitschaft gegenüber Krisenstaaten. Kein geringerer als Vizekanzler Philipp Rösler (FDP) hatte jüngst diese Debatte befeuert.

Was bedeutet die Moody’s-Bewertung für Deutschland?

Zunächst einmal: Deutschland als nach wie vor stabiler Wirtschaftsstandort behält – ebenso wie die Niederlande und Luxemburg – mit AAA die höchste von den Ratingagenturen zu vergebende Einstufung seiner Kreditwürdigkeit. Dass dahinter nun ein Minuszeichen steht, enthält lediglich die Drohung einer Herabstufung – und zwar für den Fall eines steigenden Risikos durch einen eventuellen Austritt Griechenlands aus der Eurozone und den Auswirkungen eines solchen Schrittes auf die Krisenstaaten Spanien und Italien.

Dann würde Deutschland zu größeren Unterstützungsmaßnahmen genötigt. Die direkten Folgen des Ratings auf den Kapitalmarkt waren am Dienstag äußerst gering: Zehnjährige Bundesanleihen zum Beispiel notierten am Dienstagvormittag mit einem Zinssatz von 1,245 Prozent und damit nur um 0,057 Punkte höher als am späten Montagnachmittag. Der Euro reagierte kaum, auch die europäischen Aktienmärkte hielten sich stabil.

Deutschland steht ohnehin glänzend da: Zu Wochenbeginn verdiente der Bund bei der Versteigerung einjähriger Geldmarktpapiere erstmals Geld, weil Anleger einen sicheren Parkplatz für ihr Geld suchten und dafür eine Prämie zahlten statt wie üblich einen Zins zu verlangen. Dieses Kunststück war zuvor bereits mit sechsmonatigen und zweijährigen Papieren gelungen.

Die Bundesrepublik zahlt auch deshalb so niedrige Zinsen, weil Deutschland nach den USA der weltweit zweitgrößte Markt für Staatsanleihen ist. Kaum spürbar sind die Ausschläge auch deshalb, weil das Rating in der Regel nur ein nachvollzogenes Abbild von Problemen ist, die in Fachkreisen längst bekannt sind. Mögliche Herabstufungen sind deshalb längst eingepreist. Nur bei dramatischen oder ganz unerwarteten Schritten kann es heftige Erschütterungen geben.

Sollte Deutschlands Bonität sinken, müssen allerdings auch die Bundesländer damit rechnen, von den Ratingagenturen bei nächster Gelegenheit schlechter eingestuft zu werden. Denn sowohl Moody’s als auch Fitch lassen in ihren jährlichen Berichten für die „German Länder“ keine Zweifel aufkommen, dass der im Grundgesetz verankerte föderale Finanzausgleich und die stabile Situation des Gesamtstaats entscheidende Gründe dafür sind, dass bisher alle 16 Länder zwischen AAA und AA1 eingestuft wurden, also hohe Bonität genießen.

Das gilt auch für das hoch verschuldete Berlin. Im jüngsten Report vom Januar 2012 wies Moody’s zwar auf die „extrem hohe Schuldenlast“ und die „schwankende wirtschaftliche Entwicklung“ Berlins hin, aber die „sehr große Unterstützung durch den Bund“ und das „stark ausgleichende Finanzsystem“ standen bei der Bewertung im Vordergrund. Die Haushaltskonsolidierung und die Schuldenbremse ab 2020 spielen dabei nur eine Nebenrolle.

Eine hohe Bonität ist für Berlin lebenswichtig: Für den Schuldenberg von 62,9 Milliarden Euro (Ende 2011) zahlte das Land 2,2 Milliarden Euro Zinsen. Die durchschnittliche Nominalverzinsung für festverzinsliche Darlehen lag zum Jahresende bei 3,75 Prozent. Bis 2015 muss Berlin jährlich fast acht Milliarden Euro auslaufende Darlehen refinanzieren. Stiege der Zinssatz nur um ein halbes Prozent, würde dies den Landeshaushalt um 40 Millionen Euro zusätzlich belasten.

Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) reagierte am Dienstag gelassen. „Aktuell sind keine Effekte zu erwarten“, teilte die Finanzverwaltung mit. Frankreich und Österreich seien schon im Februar „auf negativ“ gestuft worden, eine Herabstufung des AAA-Ratings sei aber bis heute nicht erfolgt.

Welche Konzepte gibt es gegen die Marktturbulenzen?

Ist Spanien nicht das aktuell größere Problem als Griechenland?

Die Spanier wehren sich dagegen, mit dem europäischen Dauerpatienten Griechenland verglichen zu werden – zu Recht. So verfügen die Iberer, anders als Griechenland, über eine umsatzstarke industrielle Basis – prominentestes Beispiel ist der spanische Autohersteller Seat.

Trotz der Krise gibt es einzelne erfolgreiche spanische Export-Produkte – von Möbeln über Modeartikel bis zu Schaumweinen. Auf dem spanischen Bankensektor ist fürs Erste auch Ruhe eingekehrt, nachdem Madrid mit Hilfen von bis zu 100 Milliarden Euro aus dem Rettungsfonds EFSF rechnen kann. Dennoch wird spekuliert, dass das gesamte Land über kurz oder lang den Euro-Rettungsschirm in Anspruch nehmen muss.

Spaniens Wirtschaftsminister Luis de Guindos reiste am Dienstag mit einem Bündel schlechter Nachrichten im Gepäck zu einem als „Routinetreffen“ deklarierten Gespräch mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach Berlin: Die Wirtschaftsleistung ging auch im zweiten Quartal zurück, die Zinsen für kurzfristige spanische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von drei Monaten stiegen auf 2,43 Prozent, und nach der Provinzregierung in Valencia könnte auch das klamme Katalonien Hilfen aus dem zentralen Madrider Rettungsfonds beantragen.

Für die wirtschaftsstärkste Region Spaniens wird es wegen steigender Anleihezinsen immer schwieriger, sich auf den Kapitalmärkten frisches Geld zu besorgen.

Mit welchen Konzepten kann den Marktturbulenzen begegnet werden?

Als letztes Mittel zur Senkung der hohen Anleihezinsen für Spanien und Italien würden Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank (EZB) in Frage kommen. Doch so schnell dürfte die EZB diese „Bazooka“, die stärkste Waffe aus dem Arsenal der europäischen Währungshüter, nicht wieder einsetzen, um die nervösen Märkte zu beruhigen.

Die EZB hatte im Mai 2010 mit dem umstrittenen Ankauf von Staatspapieren kriselnder Euro-Länder begonnen und ihn im vergangenen Herbst wieder eingestellt. „Ich vermute, dass die EZB erst einmal abwarten wird“, sagt Heiko Peters, Experte bei der Deutsche Bank Research. Wahrscheinlicher sei, dass zunächst andere Instrumente genutzt würden, um die Renditen spanischer und italienischer Anleihen wieder zu senken. Die wahrscheinlichste Lösung sei, dass die EZB die Anforderungen an Kreditsicherheiten, die etwa nationale Notenbanken einhalten müssen, noch einmal herunterschraubt.

Eine weitere mögliche Option stellten Anleihekäufe durch den gegenwärtigen Euro-Rettungsschirm EFSF oder später durch den dauerhaften Krisenfonds ESM dar, über den das Bundesverfassungsgericht im September allerdings erst noch entscheiden muss. In einem solchen Fall würde die Abwicklung der Anleihekäufe zwar über die EZB erfolgen, das Geld dafür würde aber aus den jeweiligen Krisenfonds bereitgestellt.

Als dritte Möglichkeit könnte die EZB laut Peters die Kreditinstitute EU-weit mit günstigen Langfristkrediten versorgen, wie sie es schon zweimal getan hat. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius schlug am Dienstag eine weitere Option vor: eine Aufstockung der Euro-Rettungsschirme EFSF und ESM. Er fügte im Fernsehsender „France 2“ allerdings hinzu, er hoffe, dass dies nicht nötig sein werde. Der EFSF verfügt vor dem Abzug der Hilfe für den spanischen Bankensektor noch über 248 Milliarden Euro, während für den ESM ein Kreditvolumen von 500 Milliarden Euro vorgesehen ist.

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