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FDP-Chef Philip Rösler und der Berliner Spitzenkandidat Christoph Meyer wollen mit Euro-Populismus punkten.

© dpa

Euro-Populismus: FDP legt mit neuem Kurs in Wählergunst zu

FDP-Chef Philipp Rösler verteidigt bei der Abschlussveranstaltung der Berliner Liberalen zu den Abgeordnetenhauswahlen seine Kritik an den Griechenlandhilfen. Und zumindest die Umfragen im Bund geben ihm recht.

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Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler bleibt bei seiner Kritik an der Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung. Bei der Abschlussveranstaltung der Berliner FDP zu den Wahlen zum Abgeordnetenhaus betonte Rösler, die Vergemeinschaftung aller Schulden in der EU etwa durch Eurobonds werde sich unmittelbar auf den Berliner Landeshaushalt auswirken. Denn die Einführung von Eurobonds werde steigende Zinsen zur Folge haben. Das wär „fatal für Berlin“, weil die Stadt jetzt schon 63 Milliarden Euro Schulden habe.

Und zumindest scheint das Wahlvolk Röslers neuer Linie recht zu geben. Die FDP legt in der Wählergunst zu: In dem am Freitag veröffentlichten ARD-Deutschlandtrend verbesserten sich die Liberalen um zwei Punkte auf fünf Prozent. Die Union verschlechterte sich um zwei Punkte und kam auf 33 Prozent. Die SPD erreichte 30 Prozent, die Grünen legten einen Prozentpunkt zu und kamen auf 19 Prozent. Die Linke erhielt sieben Prozent, die sonstigen Parteien kamen auf sechs Prozent. Rot-Grün käme somit auf 49 Prozent, die schwarz-gelbe Koalition auf 38 Prozent. Unzufrieden zeigten sich die Befragten mit dem Agieren der Koalition in der Euro-Krise. 65 Prozent äußerten die Meinung, die Bundesregierung habe falsche Entscheidungen getroffen. 27 Prozent sagten, die Entscheidungen der Regierung seien richtig gewesen. Anfang September dachten dies noch 29 Prozent, im Dezember 2010 waren es 47 Prozent und im Mai 2010 waren 56 Prozent dieser Meinung. Für den Deutschlandtrend befragte das Institut Infratest dimap im Auftrag des ARD-"Morgenmagazin“ am Dienstag und Mittwoch 1001 Bundesbürger.

Röslers Äußerungen über eine geordnete Insolvenz Griechenlands nach einer Staatspleite waren von Bundeskanzlerin Angela Merkel mehrfach gerügt worden. Vor mehreren hundert Parteifreunden rechtfertigte Rösler seine Thesen zur EU-Finanzpolitik. Die Leute fragten, wie stabil die Währung sei. In der EU sei jetzt mehr Integration notwendig und die Aufnahme einer Schuldenbremse in alle nationalen Verfassungen. Kritikern, die seine Äußerung als fahrlässig im Hinblick auf Finanzmärkte bezeichnet hatten, hielt Rösler entgegen, er sei den deutschen Bürgern verpflichtet – „ausdrücklich nicht den Finanzmärkten“.

Röslers Rede wurde mit starkem Beifall bedacht. Zuvor hatte der Berliner Spitzenkandidat Christoph Meyer in einer kämpferischen Rede seine Parteifreunde aufgefordert, jetzt den Endspurt im Wahlkampf zu beginnen. Ausdrücklich forderte Meyer die Wähler auf, am Sonntag auch über die EU-Politik der Bundesregierung und die Haltung der FDP dazu abzustimmen. „Die Berliner haben es in der Hand, ob wir widerspruchslos in eine Schulden- und Transferunion eintreten“, sagte Meyer. Für Griechenland gelte: Keine Leistung ohne Gegenleistung. Dem rot-roten Senat und den womöglich demnächst mitregierenden Grünen warf der Liberale vor, die Berliner Staatsquote von 60 Prozent weiter erhöhen, die Verwaltung also für noch mehr Aufgaben zuständig machen zu wollen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Berliner Liberale den Euro-Schwenk bewerten.

Ob die Zuspitzung des liberalen Wahlkampfs auf das Euro-Thema den Trend gegen die Liberalen drehen kann, ist in der Partei umstritten. Auf der Veranstaltung sagten Berliner Liberale, der Kurs sei richtig, doch womöglich komme das Thema zu spät. Die Wahlkämpfer an den Ständen machten unterschiedliche Erfahrungen mit der Euro-Frage – durchaus nicht nur positive. Der in Neukölln antretende Liberale Sebastian Kluckert zum Beispiel sagte, dass Schuldenkrise, der Euro-Rettungsschirm und die Hilfen für Griechenland die Wähler den ganzen Wahlkampf hindurch bewegten. Jetzt höre er Bemerkungen wie „Jetzt endlich – die FDP beginnt, der Kanzlerin Paroli zu bieten“. Außerdem werde die FDP aufgefordert, sich nicht wieder von Merkel „überrollen“ zu lassen, so Kluckert. Der Abgeordnete hat deshalb den Eindruck, dass Röslers Attacke auf die Griechenlandhilfen den Berliner Liberalen nutzt: Es zeige sich, dass die Partei wieder „Tritt gefasst“ habe.

Ähnliche Eindrücke hat der Abgeordnete Henner Schmidt gewonnen, der sich in Mitte wieder um ein Mandat bewirbt: „Am Stand hat man das Gefühl, dass es eine Wirkung hat“, sagte Schmidt. Es gebe auch kein Übersetzungsproblem von der Europa- in die Lokalpolitik. Höhere Zinsen auf Anleihen würden auf die Einführung von Euro-Bonds folgen und auch den Berliner Etat belasten. Deshalb sei Röslers Kritik an Merkels Europa-Politik „positiv“ für die Berliner FDP, sagte Schmidt.

Andere Liberale machen weniger gute Erfahrungen. So sagt die Abgeordnete Mieke Senftleben, die in Reinickendorf um ein Mandat kämpft, über das Thema Euro: „Bisher ist es noch nicht bei den Leuten angekommen.“ Sebastian Czaja, FDP-Abgeordneter aus dem Bezirk Marzahn-Hellersdorf, sagt über die Euro-Problematik, sie spiele „überhaupt keine Rolle“. Dass Rösler ein Thema gesetzt und mit dem Berliner Wahlkampf verbunden habe – die Berlin-Wahl als Euro-Wahl –, habe offenbar einen mobilisierenden Effekt: Wähler äußerten die Hoffnung, dass die FDP in der Auseinandersetzung mit der Kanzlerin konsequent bleibe.

Volker Thiel, Abgeordneter aus dem Bezirk Treptow-Köpenick, hat einen ganz anderen Eindruck: Röslers Euro- Kampagne „kommt nicht an“, sagt Thiel. Was Rösler sage, sei zwar richtig – doch hätten die Wähler den Eindruck, die FDP wolle die EU infrage stellen. Und Europa sei nun mal für viele positiv besetzt als Garant des Friedens. Rösler hätte deshalb deutlicher sagen müssen, dass man Griechenland in der EU halten wolle und gerade deshalb über neue Wege der Sanierung reden müsse.

In diese Richtung argumentierte am Donnerstag auch der Berliner Bundestagsabgeordnete Martin Lindner. Er sagte dem Tagesspiegel, „es wäre falsch, das Thema Umschuldung/Insolvenz zu verteufeln. So unwahrscheinlich ist das nicht.“ Gerade deshalb solle man auch nicht so tun, als sei damit automatisch der Euro oder gar die Europäische Union bedroht, sagte Lindner.

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