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Euro-Rettung: Wenn der Hebel zur Gefahr wird

Mit der Zustimmung zum veränderten EFSF erhöht sich auch das Risiko für die Garantiegeber. Das kann möglicherweise teuer werden.

Von Antje Sirleschtov

Als Ende September 2011 die ersten Meldungen darüber kursierten, dass Europa durch sogenannte Finanzhebel die vom Euro-Rettungsschirm EFSF garantierte Summe von insgesamt 440 Milliarden Euro auf Billionensummen erweitern will, sorgte das in Deutschland für Unmut und große Unruhe. Das war just an dem Tag, an dem der deutsche Bundestag über die Erweiterung des Rettungsfonds abstimmen wollte. Zu sehr klang der Fachbegriff für diese Hebel, „Leverage“ (englisch für: Hebel), nach einem dieser undurchsichtigen Mechanismen zur wundersamen Geldvermehrung, mit denen die Finanzwelt in den ersten Jahren des Jahrtausends den Anlegern zunächst gewaltige Gewinne versprach und die dann schließlich zum Zusammenbruch des Finanzsystems führten. Und jetzt soll ausgerechnet mit diesen „Massenvernichtungswaffen“, wie sie FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle später sogar einmal nannte, die Zukunft der deutschen Staatskasse aufs Spiel gesetzt werden?

Lange Zeit versuchten Regierungsvertreter, die Zweifel der Skeptiker durch den Hinweis zu entkräften, mit den Hebeln werde die Garantiesumme für den EFSF (211 Milliarden Euro aus Deutschland) überhaupt nicht erweitert. Weshalb das Risiko, dass die deutschen Steuerzahler im schlimmsten Fall mehr als diese 211 Milliarden Euro bei Rettungsaktionen für andere Euro-Länder verlieren werden, auch vernachlässigbar sei. Und genauso lange widersprachen dem die Euro-Kritiker in den Koalitionsreihen und auch die Opposition. Deren Argument: Wenn sich die Summe der vom EFSF herausgegebenen Kredite für Anleihekäufe erweitert, dann steigt auch das Risiko für den Fonds selbst, sein Geld zu verlieren, wenn das kreditnehmende Land das Geld nicht zurückzahlen kann.

Nun haben sich beide Seiten – Koalition und Opposition – im Entschließungsantrag, der am Mittwoch verabschiedet werden soll, darauf geeinigt, dass sich zwar das Risiko für deutsche Steuergelder durch die Einsatz der Finanzhebel „verändern“ (was so viel heißt wie: erhöhen) wird, dass man aber gleichwohl die Bundesregierung damit beauftragt, sich in Brüssel für die Einführung dieser Hebel zu verwenden.

Am Dienstag wurde den Abgeordneten allerdings noch ein ganz anderes Risiko bewusst. Und zwar eines, das womöglich noch folgenschwerer sein kann als der Verlust eines Teiles der Garantiesumme des EFSF. Denn es geht dabei um die Bonität der Euro-Länder selbst. Abhängig von ihrer Wirtschaftskraft haben sie dem gemeinsamen Rettungsschirm EFSF Garantien gegeben, die die Ratingagenturen bei der Bewertung der Zahlungsfähigkeit der einzelnen Länder bereits berücksichtigt haben.

Wenn sich jetzt allerdings durch den Einsatz von Finanzhebeln das „Risikoprofil“ des EFSF verändert – und das tut es offensichtlich –, dann, warnen die Brüsseler Europabeamten, werde das auch Auswirkungen auf das Rating der garantiegebenden Länder selbst haben. Zu Deutsch: Wenn die Staats- und Regierungschefs an diesem Mittwoch beschließen, dem EFSF die Möglichkeit zu geben, sein Kreditvolumen zu erweitern, vielleicht sogar in Billionensummen hinein, dann könnte das dazu führen, dass die Bonität einzelner Länder herabgestuft wird. Zum Beispiel könnte Frankreich sein ohnehin unsicheres AAA-Rating verlieren, im schlimmsten Fall könnte es sogar Deutschland treffen. Was am Ende zu einer Spirale führen könnte, in der aus Hilfsländern solche werden, die Hilfe brauchen.

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