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Kommt ein Hebel für den ESM?

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Update

Euro-Rettungsschirm ESM: Bundesregierung nennt Zwei-Billionen-Hebel illusorisch

Die Bundesregierung versucht, die Gemüter zu beruhigen: Eine Hebelung auf zwei Billionen Euro durch private Investoren sei "völlig illusorisch". Konkrete Aussagen macht sie aber nicht.

Die Bundesregierung hat eine mögliche Ausweitung des Euro-Rettungsschirms ESM mit Hilfe privater Investoren auf bis zu zwei Billionen Euro als „völlig illusorisch“ bezeichnet. Zwar werde über eine höhere Schlagkraft durch eine „Hebelung“ diskutiert. Die in Medienberichten genannten Zahlen seien aber in überhaupt keiner Form nachvollziehbar, sagte der Sprecher des Finanzministeriums, Martin Kotthaus, am Montag in Berlin.

Wie hoch die mögliche Beteiligung privater Investoren bei ESM-Hilfen sei, hänge auch vom Einzelfall ab. Kotthaus stellte klar, dass es in jedem Fall bei der deutschen Haftungsgrenze von 190 Milliarden Euro bleibe. Nach Angaben des „Spiegels“ sollen im Ernstfall durch eine Art „Hebelung“ zwei Billionen Euro verfügbar sein. Dies wäre das Vierfache des geplanten Nothilfevolumens des ESM. Ziel sei, auch Schwergewichte wie Spanien und Italien retten zu können.

Die aktuellen Leitlinien über die Arbeitsweise und Instrumente des ESM, über die der Haushaltsausschuss noch diese Woche entscheiden soll, enthält die Möglichkeit einer „Hebelung“ noch nicht. Für den ESM-Vorgänger EFSF ist ein solches Instrument ebenfalls vorgesehen.

Eine Teilabsicherung und Beteiligung von Privatinvestoren bei EFSF-Hilfen war laut Kotthaus zuvor auch vom Bundestag gebilligt worden. Genutzt wurde der mögliche EFSF-„Hebel“ allerdings nicht, auch weil Investoren bisher zurückhaltend sind. Auch bei einer möglichen ESM-„Hebelung“ soll der Bundestag einbezogen werden.

Die ESM-Instrumente entsprechen denen des auslaufenden Vorgänger-Rettungsfonds EFSF: Hilfsdarlehen an Euro-Länder für Anpassungsprogramme, vorsorgliche Kreditlinien, Anleihekäufe auf dem Primär- und Sekundärmarkt sowie Darlehen zur Rekapitalisierung von Banken. Genutzt wurden von diesen fünf Instrumenten bisher nur Hilfsdarlehen an Euroländer sowie Bankenhilfen. Der ESM, der Hilfen von bis 500 Milliarden Euro vergeben kann, soll im Oktober starten.

Zuvor hatten SPD, Grüne und Linke angesichts der Spekulationen über eine Erhöhung der Finanzkraft des Euro-Nothilfefonds ESM auf zwei Billionen Euro eine Neuentscheidung des Bundestages gefordert. Auch wenn es ohne Erhöhung des deutschen Bürgschaftsrahmens zur Vervielfachung der Ausleihesumme komme, müsse das Plenum des Deutschen Bundestags neu entscheiden, sagte Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, der “Passauer Neuen Presse“ laut Vorab-Bericht aus der Montagausgabe. Die schwarz-gelbe Bundesregierung wolle eine Hebelung über ein strukturiertes Finanzprodukt durch die Hintertür schaffen, genau solche Produkte hätten indes die Finanzkrise ausgelöst.

Auch der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Gerhard Schick, sagte der Zeitung, der Bundestag müsse über eine Hebelung abstimmen. “Selbst wenn die Ausleihsumme nicht erhöht wird, erhöht sich das Risiko.“ Die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Sarah Wagenknecht, sagte dem Blatt: “Mehr Geld ist nicht zum Nulltarif zu haben sondern heißt: weit mehr Risiko für den Steuerzahler.“ Daher müsse es eine erneute Befassung des Bundestags geben. “Das ist zwingend. Sonst riskiert die Regierung einen erneuten Gang nach Karlsruhe.“

Auf die Kritik der Opposition hatte Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter reagiert. “Sollte man sich in Europa für die Hebelung des ESM entscheiden - und die Diskussion läuft - werden wir selbstverständlich auch den Deutschen Bundestag beteiligen“, sagte er am Montag. “Die Beteiligung des Bundestages ist eine politische und juristische Selbstverständlichkeit“, unterstrich er.

Am Wochenende war bekannt geworden, dass die Euro-Länder die Schlagkraft des künftigen Euro-Rettungsfonds ESM über die vorgesehenen 500 Milliarden Euro hinaus erhöhen wollen. Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums bestätigte am Sonntag, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ESM würden in Europa nun die Leitlinien erarbeitet. Dazu gehöre auch eine Teilabsicherung durch den ESM und die Einbeziehung privater Investoren, was eine Art Hebelung bedeuten würde. Dieser Teil befinde sich zurzeit in der Abstimmung in Brüssel. Das Magazin “Der Spiegel“ berichtete, dadurch sollten künftig im Ernstfall zwei Billionen Euro verfügbar sein. Ziel sei, so auch große Länder wie Spanien und Italien retten zu können. Das Finanzministerium betonte, dass unabhängig von einer Hebelung die Begrenzung der deutschen Haftung auf maximal 190 Milliarden Euro für den ESM weiter gelte.

Für Aufregung sorgte am Wochenende auch die Meldung, dass die Lücke im griechischen Staatshaushalt größer sein könnte als gedacht. Nach vorläufigen Erkenntnissen der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds fehlten der Regierung von Ministerpräsident Antonis Samaras derzeit rund 20 Milliarden Euro und damit fast doppelt so viel wie zuletzt zugegeben, so der „Spiegel“. (Reuters, dapd)

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