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Europawahl: Schulz und Juncker vermeiden den Clinch

Martin Schulz ist Spitzenmann der Sozialdemokraten zur Europawahl, Jean-Claude Juncker will es für die EVP werden. Am Montag traten sie in Berlin auf.

Gleich zu Beginn hatte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso eine optimistische Botschaft mitgebracht. „Europa wird in der Welt heute mehr respektiert als vor zehn, 20 oder 50 Jahren“, sagte der Portugiese bei seiner Eröffnungsrede einer Berliner Konferenz, auf der die Spitzenkandidaten der europäischen Parteienfamilien für die Europawahl im Mai versammelt waren. Trotz der positiven Außenwirkung, die Barroso am Montag in leuchtenden Farben beschrieb, nagt im Inneren der EU der Zweifel. „Europa projiziert Kälte“, erklärte der Filmemacher Wim Wenders bei der Konferenz, die von der zivilgesellschaftlichen Initiative „A soul for Europe“ („Europa eine Seele geben“), dem EU-Parlament und der Allianz Kulturstiftung veranstaltet wurde. Vermutlich spricht Wenders mit dem Verdikt nicht wenigen EU-Bürgern aus der Seele.

Am Rande des Treffens hatten auch zwei Männer die Gelegenheit zum Gedankenaustausch, die an der viel beklagten Bürgerferne der EU etwas ändern möchten: Martin Schulz und Jean-Claude Juncker. Der eine, Schulz, ist gerade in Rom von Europas Sozialdemokraten zum Spitzenkandidaten für die Europawahl gekürt worden. Der andere, Juncker, strebt Ende dieser Woche in Dublin eine entsprechende Nominierung durch die konservative Europäische Volkspartei (EVP) an.

Wo die politischen Unterschiede zwischen ihnen liegen, konnten oder wollten Schulz und Juncker am Montag nicht herausarbeiten, zumal sie auf zwei aufeinanderfolgenden Podien diskutierten. Dafür eint sie das Wissen, dass das Europageschäft trotz der vermeintlichen Zahlen- und Bürokratielastigkeit sehr wohl einiges mit Kultur zu tun hat. Der ehemalige luxemburgische Ministerpräsident Juncker erinnerte sich, dass die Griechenlandkrise für ihn und seine Amtskollegen ein „kulturelles Schockerlebnis“ bedeutet habe.

Juncker, der seinerzeit die Sitzungen der Euro-Gruppe leitete, wundert sich noch heute, wie schnell die Krise eigentlich „längst tot geglaubte“ Vorurteile mitten in Europa wieder heraufbeschworen hat: In Deutschland sei seinerzeit „Beleidigendes“ über die Griechen geschrieben worden, so dass er sich über die „Ignoranz“ angesichts der hellenischen Verhältnisse geschämt habe. Genauso erschreckend, meinte Juncker, seien auf der anderen Seite die Nazi-Plakate in Athen gewesen. „Wir wissen zu wenig übereinander“, lautete sein Fazit.

EU-Parlamentschef Martin Schulz hatte seinerseits schnell eine Antwort auf die Frage parat, ob die Buchpreisbindung durch das geplante Freihandelsabkommen zwischen EU und USA infrage gestellt werde. „Das Freihandelsabkommen ist kein Instrument zur Durchökonomisierung der Wissenschaft und Kultur in Europa“, erklärte der SPD-Politiker. Und noch eine Sorge treibt den gelernten Buchhändler um: Es könne nicht sein, sagte er, dass eines Tages Internetgiganten wie Amazon den weltweiten Lesegeschmack bestimmten.

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