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Gedanken am Volkstrauertag auf dem Südwestkirchhof in Stahnsdorf.

© dpa

Evangelischer Militärbischof: Der Volkstrauertag hat seinen Sinn nicht verloren

Krieg als Fortsetzung der Politik wird wieder neu ins Kalkül gezogen. Dabei sollten die Weltkriege eine starke Mahnung sein. Ein Gastkommentar zum heutigen Volkstrauertag.

Zum Volkstrauertag gibt es in Berlin eine Feier, an der ich als Militärbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland sehr bewusst teilnehme: Im Plenarsaal des Deutschen Bundestages veranstaltet der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge eine Gedenkstunde für die Toten der Weltkriege.

In Frankreich und England heißt der Erste Weltkrieg bis heute „der Große Krieg“. Doch nicht allein die beiden großen Weltkriege sind, wenn wir aufs vergangene Jahrhundert schauen, von Bedeutung für das Gedenken, auch die mehreren hundert „kleinen“ Kriege in Vietnam, im Irak und Iran, in Serbien und Bosnien, dem Kosovo, in Afghanistan. Hinzu kommen die jüngsten Auseinandersetzungen in der Ukraine, im Irak und in Syrien. Der Volkstrauertag hat angesichts der unzähligen Opfer seinen Sinn deshalb nicht verloren, er bleibt auch mit zunehmendem zeitlichen Abstand von den Weltkriegen ein Tag der Trauer.

In den vergangenen Jahren hat nach meiner Beobachtung der vorletzte Sonntag im Kirchenjahr (evangelisch) bzw. der 33. Sonntag im Jahreskreis (katholisch) an Bedeutung gewonnen, weil er auch zu einem Tag der Mahnung zu Versöhnung, Verständigung und Frieden geworden ist. Schon die Zahl der 2,7 Millionen Kriegstoten auf 832 Kriegsgräberstätten in 45 Staaten ist eine Mahnung. Betreut werden sie im Auftrag der Bundesregierung vom Volksbund.

Zum Schutz der Soldaten der Bundeswehr

Die Seelower Höhen östlich von Berlin stellen eine eindrückliche Mahnung vor dem Krieg dar. Als ich sie zum ersten Mal besuchte, war mir klar, hier haben nicht nur etwa 45.000 meist junge Soldaten am Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 ihr Leben verloren, hier wird bis heute das Menetekel des Krieges greifbar. Denn immer wieder werden hier die menschlichen Überreste von Soldaten geborgen, Knochen, Schädel, Uniformen. Mitarbeiter des Volksbundes sorgen dann für eine sogenannte Umbettung auf eine nahe Gedenkstätte. Damit die Toten Ruhe finden.

Es ist ein Liebesdienst an lange Dahingegangenen für den Frieden, oft geleistet von Ehrenamtlichen, auch jungen Menschen. Ihr Tun lässt sich für mich in einem Satz zusammenfassen: „Wenn du den Frieden willst, bekämpfe den Krieg!“ Ein Aufruf des Pfarrers Walter Nithack-Stahn in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche im Jahr 1911. Lange vor den Weltkriegen, die Europa verwüstet liegen ließen. Er nannte den Krieg nicht einen Teil der Weltordnung, sondern der menschlichen Unordnung. Sein Protest galt der Lieblosigkeit und dem Unfrieden.

Heute müssen wir wahrnehmen, dass Krieg als Fortsetzung des Politik und Mittel der Wahl neu ins Kalkül gezogen wird. Zum Schutz der Soldaten in der Bundeswehr, für die ich mich mitverantwortlich fühle, trete ich gerade am Volkstrauertagen an ihre Seite.

Dr. Sigurd Rink ist seit 2014 evangelischer Militärbischof mit Sitz in Berlin. Verantwortlich ist er für 98 evangelische Militärseelsorger in 100 Standorten in Deutschland und im Ausland.

Sigurd Rink

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