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Politik: Expertenwissen

Foto: Rückeis / Montage: DP HINTER DEN LINDEN Das Schöne an der Politik ist, dass jeder mitreden kann. Man ist ja Bürger eines Landes und genießt oder erleidet wahlweise am eigenen Ich das, was sich die Politik als Rezept zur Bewältigung von Gegenwart und Zukunft so ausdenkt.

Von Antje Sirleschtov

Foto: Rückeis / Montage: DP

HINTER DEN LINDEN

Das Schöne an der Politik ist, dass jeder mitreden kann. Man ist ja Bürger eines Landes und genießt oder erleidet wahlweise am eigenen Ich das, was sich die Politik als Rezept zur Bewältigung von Gegenwart und Zukunft so ausdenkt. Praxisgebühr oder überfüllte Unis, Hundedreck oder die krawallbereite Jugend von heute: Irgendwie kommt jeder jeden Tag mit Politik in Berührung und bildet so seinen profunden Wissensschatz für die politische Auseinandersetzung. Oder doch nicht? Wenn’s brenzlig wird, wenn etwa das Geld nicht ausreicht, um all das zu bezahlen, was man sich als Bürger von seinem Staat so wünscht oder wenn die Arbeit nicht für alle reicht, dann klappt es mit der empirischen Politik vielleicht doch nicht mehr so richtig. Dann müssen Experten ran, mit ihren Vorstellungen von guter und richtiger Politik. Und weil sich nun offenbar diese unsere Zeiten durch eine Ballung besonders kniffliger gesellschaftlicher Probleme auszeichnen, blüht das Expertenwesen. Keine Regierung ohne Ratgeber, kein Parlament ohne Kommissionen und kein Tag, an dem nicht wichtige Personen ihre Weisheiten an den Bürger bringen.

Freitagnachmittag war es mal wieder soweit. Im Magdeburger Stadthaus, wo sich ein paar hundert Bürger über die Frage austauschen wollten, wie es denn nun mit dem Aufbau Ost weitergehen soll, nachdem allerorten resümiert wurde, dass die Karre im Dreck steckt. Da wurde den Ratlosen das Expertenwissen des Europaabgeordneten Ulrich Stockmann warm ans Herz gelegt. Eine ganz andere Sicht auf die Dinge, eine aus Brüssel eben. Und was für eine! Dass die Deutschen mehr für Bildung tun müssten, empfahl der Experte, wegen der High-Tech-Konkurrenz aus „Balagnore“ in Indien. Und dass man die Wettbewerber aus der Nachbarschaft nicht unterschätzen soll, vornehmlich die aus der „Tschechesslowakei“. Aha, grummelte es sodann im Publikum: Dem Experten sollte mal ein Experte raten, am besten noch vor der Europawahl.

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