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Wer hilft den deutschen Sparschweinchen? Mario Draghi jedenfalls nicht.

© dpa

EZB-Niedrigzinspolitik: Es gibt kein Recht auf Rendite – auch nicht für deutsche Sparer

Ohne die Intervention der EZB wäre der Euro längst Geschichte. Das sollten alle, die dauernd über die niedrigen Zinsen meckern, nie vergessen. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Harald Schumann

Es gibt nur sehr wenige Menschen, die mit einem einzigen Satz Geschichte geschrieben haben. Einer von ihnen ist Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank.„Die EZB ist bereit, zu tun, was immer nötig ist, um den Euro zu bewahren“, erklärte er am 26. Juli 2012 – und bewahrte Europa so vor einer wirtschaftlichen Katastrophe.

Von einer Minute zur anderen überbrückte Draghi damals den zentralen Konstruktionsfehler der Europäischen Währungsunion. Deren Mitgliedsländer sind zwar wirtschaftlich und monetär auf Gedeih und Verderb miteinander verflochten. Aber sie agieren nicht als gemeinsamer Staat und stehen nicht füreinander ein. Darum drohte den wirtschaftlich schwächeren Mittelmeerländern der Staatsbankrott. Der Zerfall der Euro-Zone wäre die unvermeidliche Konsequenz gewesen. Dagegen setzte Draghi die ganze Macht einer Notenbank: Ausgestattet mit dem Recht zur Geldschöpfung stellte er klar, dass keine Staatsanleihe in Euroland unbezahlt ausfalle, weil im Notfall die Zentralbank dafür einsteht. Allein die Ankündigung reichte, um die Zinsen zur Erneuerung der auslaufenden Anleihen in den Krisenstaaten wieder auf Normalniveau zu senken. Gegen die Notenbank sind alle Spekulanten machtlos.

Heute besteht kein Zweifel: Draghi lag richtig

So verschaffte der EZB-Chef dem Euro-Verbund den gleichen Status wie er für die USA, Japan oder andere große Währungsräume selbstverständlich ist. Auch dort stieg die Staatsverschuldung nach dem Lehman-Crash immens; in den USA auf mehr als 100 Prozent der Wirtschaftsleistung, in Japan sogar auf das Doppelte. Dennoch rechnet niemand mit dem Ausfall amerikanischer oder japanischer Staatsanleihen. Schließlich sind deren Zentralbanken selbst Teil des Staates und dieser daher immer zahlungsfähig. Heute, fünf Jahre später, besteht kein Zweifel, dass Draghi richtig lag. Ohne seine radikale Klarstellung wären der Euro und damit auch auch der deutsche Wirtschaftserfolg längst Geschichte. Umso härter aber rechten Deutschlands konservative Politiker, Wirtschaftsfunktionäre und Medien mit den Konsequenzen dieser Intervention – den anhaltend niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt.

Draghi und der EZB-Rat, so behauptete etwa Bayerns Finanzminister Markus Söder kürzlich wieder, betrieben eine „schleichende Enteignung der Sparer“, weil die keine Zinserträge mehr bekämen. Mit der gleichen Formel empörte sich auch Mario Ohoven, Präsident der Mittelstandsvereinigung, nachdem auch die jüngste Sitzung des Zentralbankrates keine Zinserhöhung brachte. Für die Kollegen bei der „Bild“-Zeitung ist der Nullzins ohnehin eine einzige „Sauerei“, der die Deutschen 36 Milliarden Euro im Jahr koste.

Doch dieser Streit geht am eigentlichen Problem vorbei und fußt auf falschen Annahmen. So war der Zinsgewinn für Sichteinlagen und Sparbücher, den bevorzugten Anlagen der deutschen Sparer, seit eh und je nur eine Illusion. „In den vergangenen Jahrzehnten waren negative Realzinsen sogar eher die Regel als die Ausnahme“, konstatierte die Bundesbank schon 2014 unverblümt. Nur war das bei der früher schneller laufenden Geldentwertung leichter zu verbergen.

Die Notenbanker hätten staatliche Investionen finanzieren sollen - statt Banken

Eben das, die derzeit geringe Inflationsrate von nur 1,3 Prozent, signalisiert aber, dass die Wirtschaft der Euro-Zone weit unter ihrer Kapazität läuft. Nach wie vor wird zu wenig investiert, darum gibt es nicht genug Nachfrage nach Kapital und darum auch keine rentablen Sparformen. Oder anders ausgedrückt: Es gibt kein Recht auf Rendite in einer stagnierenden Wirtschaft, auch nicht für deutsche Sparer.

Dagegen setzen Draghi und seine US-Kollegen seit Jahren auf den Kauf von Anleihen im großen Stil. Mittlerweiler stehen Anleihen von Staaten und Unternehmen im Wert von mehr als zwei Billionen Euro in den Büchern der EZB. Allein dem deutschen Staat ersparte das nach Kalkulation der Bundesbank 250 Milliarden Euro an Zinszahlungen.

Doch genau an diesem Punkt müssen sich die Notenbanker Kritik gefallen lassen. Denn so haben sie ihre Billionen ausschließlich auf den Kapitalmarkt geschleust. Das aber erzeugt nur wenig Nachfrage, etwa im Bausektor, während es gleichzeitig die Aktien- und Immobilienmärkte inflationiert. Wäre das Geld dagegen direkt für dringend nötige staatliche Investitionen geflossen, hätte vermutlich schon ein Bruchteil der Summe ausgereicht, um Konjunktur und Inflation auf ein ausreichendes Niveau zu heben. Diese Debatte gilt es zu führen. Wer dagegen den Phantomschmerz der Sparer anheizt, führt die Bürger in die Irre.

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