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Politik: Fahnden – und hoffen

Kroatien sucht einen Kriegsverbrecher und pocht als Gegenleistung auf seinen EU-Beitritt

Vor Abgabe des neuesten Berichts zur Zusammenarbeit Zagrebs mit dem Kriegsverbrechertribunal zeigte sich Kroatiens Staatsspitze optimistisch, dass UN-Chefanklägerin Carla del Ponte zufrieden mit der Kooperation sein müsste. Die Unterlagen sollten am Montag in New York dem UN-Sicherheitsrat vorgelegt werden.

Am Wochenende hatten Präsident Stipe Mesic und Premierminister Ivo Sanader übereinstimmend erklärt, dass sich del Ponte bei einem Besuch in der kroatischen Hauptstadt erfreut über die Bemühungen der Regierung gezeigt habe, den Aufenthaltsort des von Den Haag gesuchten Generals Ante Gotovina ausfindig zu machen.

Wegen der Nichtverhaftung Gotovinas hatten die EU-Staats- und Regierungschefs Mitte März die erwartete Ernennung Kroatiens zum EU-Beitrittskandidaten verschoben. Gotovina wird die Ermordung sowie Vertreibung zehntausender kroatischer Serben im Sommer 1995 zur Last gelegt. Sanader geht davon aus, dass der Auftritt del Pontes eine „Wende“ in der skeptischen Haltung Brüssels bringen werde. Auf der „Südosteuropa auf dem Weg in die Europäische Union“ betitelten Konferenz der Bertelsmann-Stiftung zeigte er sich zudem überzeugt, dass Kroatien bereits bei den Europaparlamentswahlen 2009 als vollwertiges Mitglied teilnehmen könne. Schließlich nehme sein Land eine „Brückenfunktion zwischen altem, neuem und mittlerem Europa“ ein.

Zugleich warnte der kroatische Premier davor, dass die nach den gescheiterten Referenden über die EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden „eingetretene Ermüdung die Oberhand gewinnt“. Die Chance, die die EU-Erweiterung für alte wie neue Mitglieder biete, sei „zu groß, als dass wir sie so leichthin aufgeben können“. Auch Präsident Mesic wandte sich gegen eine Revision der beim EU-Gipfel in Thessaloniki 2003 beschlossenen Beitrittsperspektive für die Staaten des Westbalkans, dem neben Kroatien noch Serbien-Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Albanien angehören. Die durch die letzte Erweiterungsrunde verursachte Beitrittsmüdigkeit dürfe „nicht zu einer neuen Kluft führen“, da es sich bei der Vereinigung Europas um eine „Milleniumsfrage“ handele: Der Preis für die Erweiterung sei „weitaus geringer als der des Nichtbeitritts“.

Während Kroatien vor dem Beginn von Verhandlungen über einen EU-Beitritt steht, hinken Bosnien-Herzegowina, Serbien-Montenegro und Albanien weit hinterher. So haben sie noch nicht einmal das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der Union unterzeichnet.

Nur Mazedonien kann sich geringe Hoffnungen machen, den Anschluss an Kroatien noch zu schaffen. Seit dem Tod des nationalistisch-autokratischen Präsidenten Franjo Tudman 1999 sehen sich viele kroatische Politiker als Fürsprecher einer Aufnahme aller exjugoslawischen Teilrepubliken in den von Sanader als "Eliteclub" bezeichneten 25-Staatenblock.

Markus Bickel[Zagreb]

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