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Fall Marwa: "Eiskalter Killer – das Bild ist falsch"

Im Prozess um den Mord an der Ägypterin Marwa El-Sherbini hat die Verteidigung am Dienstag auf Totschlag und versuchten Totschlag im Affekt plädiert. Sie will ein milderes Urteil erreichen.

Dresden - Im Prozess um den Mord an der Ägypterin Marwa El- Sherbini hat die Verteidigung am Dienstag auf Totschlag und versuchten Totschlag im Affekt plädiert. Pflichtverteidiger Michael Sturm beantragte vor dem Dresdner Landgericht, seinen Mandanten Alex W. wegen verminderter Schuldfähigkeit zu einer zeitlich begrenzten Freiheitsstrafe zu verurteilen. Zuvor hatte die Kammer erneut den Gutachter zur Schuldfähigkeit des Russlanddeutschen befragt. Anlass war ein Fax der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation, demzufolge er im Juli 2000 wegen einer psychischen Erkrankung als wehrdienstuntauglich aus der Armee ausgemustert worden war. „Ich will nichts dazu sagen“, sagte Alex W. auf die Frage nach einem letzten Wort. Das Urteil soll an diesem Mittwoch gesprochen werden.

Es gebe viele Indizien für eine paranoide Persönlichkeitsstörung des 28-Jährigen, sagte der Verteidiger. Die Tat sei ungeplant und wie im Rausch begangen worden. „Eiskalter Killer, der aus rassistischen Motiven handelte, dieses Bild ist falsch, auch die Annahme des Vorsatzes der Heimtücke“, sagte Sturm. Daher müsse auch der Grundsatz „In dubio pro reo“ Anwendung finden. Sein Mandant habe sich bei der Tat in „solch einem Affektzustand“ befunden, dass eine Bewusstseinsstörung vorgelegen habe.

Der arbeitslose Spätaussiedler muss sich seit dem 26. Oktober wegen Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung vor dem Landgericht verantworten. Laut Anklage hat er bei einer Berufungsverhandlung wegen Beleidigung am 1. Juli im Landgericht aus Fremdenhass die schwangere Marwa El-Sherbini geplant und kaltblütig vor den Augen ihres Kindes erstochen und ihren Mann lebensgefährlich verletzt. Staatsanwaltschaft und Nebenkläger haben am Dienstag ihre Plädoyers bestätigt, in denen sie am Vortag eine lebenslange Haftstrafe sowie die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld für Alex W. gefordert hatten. Für den Fall, dass das Gericht eine verminderte Schuldfähigkeit nicht anerkennt, beantragte Verteidiger Sturm die Einholung eines psychiatrischen sowie eines psychologischen Gutachtens sowie die Verlesung von Aussagen zweier Nachbarn des Russlanddeutschen und die Vernehmung einer Sachverständigen. Nächtliches Randalieren in seiner Wohnung, aggressive Reaktion auf vermeintliche Bedrohung mit Gegenangriffen, Ich-Bezogenheit, Selbstisolation, depressives Verhalten und Selbstmordgedanken sprächen für eine psychische Beeinträchtigung des Angeklagten. Auch das Schweigen von Alex W. sei ein ungewöhnlicher Teil der Erkrankung. „Von einem Kranken kann man nicht verlangen, dass er sich selbst als krank bezeichnet.“ dpa

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