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Familienministerin Kristina Schröder: "Ich habe nicht vor, in Fußstapfen zu treten"

Kristina Schröder über das Erbe ihrer Vorgängerin Ursula von der Leyen, den Mut junger Eltern eine Familie zu gründen und ihren Widerstand gegen Sparpläne bei der Kinderbetreuung.

Frau Schröder, ist es anstrengend, die jüngste Ministerin im Kabinett zu sein?

Nein, gar nicht. Es ist grundsätzlich eine große Aufgabe, in der Politik Verantwortung zu übernehmen. Das gilt natürlich auch für meine älteren Kollegen. Klar, manchmal nervt es schon, dass um mein Alter so viel Aufhebens gemacht wird.

Was genau stört Sie daran? Fühlen Sie sich nicht ernst genommen?

Mir geht es um die Sache. Ich möchte, dass nicht meine Person und mein Privatleben, sondern meine Politik im Zentrum steht. In den vergangenen Monaten ist es zum Glück gelungen, die Aufmerksamkeit voll auf die Inhalte meiner Familienpolitik zu lenken: Familienpflegezeit, Ausbau der Kinderbetreuung, Jungenförderung – das sind die Themen, die mir wichtig sind und die ich voranbringen möchte.

Sie mussten zudem in die Fußstapfen von Ursula von der Leyen treten. Wie kommen Sie damit zurecht?

Ich habe nicht vor, in Fußstapfen zu treten, sondern neue Wege zu finden.

Ist es Ihnen unangenehm, dauernd auf Ihre Vorgängerin angesprochen zu werden?

Überhaupt nicht. Sie hat doch tolle Vorarbeit geleistet – allerdings war das noch zu Zeiten, als der Rubel rollte. Vergleiche bringen wenig, die Situation ist heute eine völlig andere – und ich bin eben auch ein völlig anderer Typ. Aber das hat ja inzwischen fast jeder kapiert.

Ihre Vorgängerin ist Mutter von sieben Kindern. Sprechen manche Ihnen die Urteilsfähigkeit über Familienfragen ab, weil Sie noch keine Kinder haben?

Kann schon sein, dass mancher das so sieht. Fakt ist: Ich bin zuständig für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – und Sie werden kaum jemanden finden, der all das in einer Person vereint. Familienpolitik leidet oft darunter, dass jeder sie auf der Basis seiner eigenen Biografie beurteilt. Das ist wahrscheinlich im Verteidigungsministerium anders.

Sie stammen aus der eher konservativen Hessen-CDU. Welchem familienpolitischen Leitbild fühlen Sie sich verpflichtet?

Meine Idealvorstellung ist völlig irrelevant. Moderne Familienpolitik will den Menschen eben kein bestimmtes Leitbild vorgeben. Ich will den Familien nicht vorschreiben, wie sie leben müssen – sondern ihnen ermöglichen, dass sie so leben können, wie sie leben wollen. Es wäre anmaßend, wenn der Staat versuchen würde, Menschen zu einem bestimmten Modell zu drängen.

Die Familienpolitik ist ins Zentrum des Regierungshandelns gerückt. Wird es trotz des Spardrucks dabei bleiben?

Davon bin ich fest überzeugt! Das ist auch absolut notwendig, immerhin reden wir hier vom Fundament unserer Gesellschaft. Und zum Spardruck: Familienpolitik erschöpft sich doch nicht allein im Geldausgeben. Man kann auch in Zeiten knapper Kassen gute und kluge Familienpolitik machen.

Wie?

Die wichtigste Währung moderner Familienpolitik ist nicht Geld, sondern Zeit. Wir müssen den Menschen Zeit für Verantwortung geben und dafür sorgen, dass Eltern Zeit für ihre Kinder und Erwachsene Zeit für die Pflege ihrer Angehörigen haben. Natürlich bekommen Sie als Ministerin immer Beifall, wenn Sie eine neue staatliche Leistung erfinden. Ich würde natürlich auch gerne – parallel zum Elterngeld – ein Pflegegeld für Angehörige einführen. Nur ist das im Moment finanziell nicht machbar. Aber es bringt doch nichts, die Lage zu bejammern oder die Hände in den Schoß zu legen. Ich will trotz des hohen Spardrucks kreative Familienpolitik machen. Die Familienpflegezeit etwa ist ein Modell, das genau in die Zeit passt.

Versprechen Sie den Familien, dass Sie am Ende der Wahlperiode in gleichem Umfang unterstützt werden wie heute?

(Atmet tief durch.) In den nächsten Jahren werden alle Ministerien dazu beitragen müssen, die Anforderung der Schuldenbremse zu erfüllen. Das Familienministerium ist da nicht ausgenommen. Das gefällt mir nicht, aber das ist so.

Halten Sie daran fest, die Vätermonate beim Elterngeld zu verdoppeln?

Ja, das habe ich mir fest vorgenommen. Aber natürlich müssen wir jetzt ganz genau schauen, wie wir unsere Mittel klug und wirkungsvoll einsetzen. Wenn ich neue Projekte anstoßen will, muss ich diese aus meinem eigenen Haushalt finanzieren.

Die Vätermonate sind also nicht prioritär?

Väter und Mütter stehen bei mir immer an erster Stelle. Zentral ist auch der Ausbau der Kinderbetreuung und der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz vom Jahr 2013 an. Dafür sind vier Milliarden Euro Bundesmittel vorgesehen. Daran rühre ich nicht.

Aber CDU-Ministerpräsidenten wie etwa Roland Koch tun das.

Der Ausbau der Betreuung ist zurzeit eines der wichtigsten gesellschaftspolitischen Projekte. Hier entscheidet sich Zukunft. Bis 2013 wollen wir es deshalb gemeinsam schaffen, dass dieser Rechtsanspruch erfüllt wird.

Könnten Sie den Ausbau der Betreuung nicht zeitlich strecken?

Nein. Das kommt nicht infrage. Noch mal: Das ist ein zentrales gesellschaftliches Projekt. Bund, Länder und Kommunen hatten hier deshalb gemeinsam eine klare Priorität gesetzt. Wir, der Bund, stehen zu dieser Priorität, wir haben unser Soll bis jetzt mehr als erfüllt. Deshalb appelliere ich auch an die Länder und Kommunen: Wir werden dieses Ziel nur gemeinsam erreichen! Und: In den meisten Ländern klappt das ja auch.

Der Koalitionsvertrag verspricht von 2013 an ein Betreuungsgeld für Väter oder Mütter, die nicht berufstätig sind und ihre Kinder selbst betreuen. Experten rechnen mit Kosten von 2 bis 2,4 Milliarden Euro. Kann sich die Koalition das noch leisten?

Jede neue Leistung steht unter Finanzierungsvorbehalt. Die entscheidende Frage ist doch, wie das Betreuungsgeld wirkt, und da gibt es ernstzunehmende Bedenken. Es darf nicht sein, dass ausgerechnet die Familien, deren Kinder von frühkindlicher Bildung besonders profitieren würden, einen Anreiz bekommen, ihren Kindern diese Chancen vorzuenthalten. Auf der anderen Seite: Auch Väter und Mütter, die eine Zeit lang für ihr Kind zu Hause bleiben, verdienen unseren Respekt und eine finanzielle Anerkennung. Das ist ein Zielkonflikt, der nicht so leicht zu lösen ist.

Nach neuesten Zahlen sinkt die Geburtenrate. Haben sich Elterngeld und Ausbau der Betreuungsplätze überhaupt gelohnt?

Es ist falsch, den Ausbau der Familienleistungen primär an die Entwicklung der Geburtenrate zu koppeln. Familienpolitische Leistungen sind schließlich keine Gebärprämie. Die Politik darf sich nicht überschätzen – und die Geburtenrate ist natürlich nicht der einzige Maßstab für ihren Erfolg. Das, was wirklich wichtig ist, lässt sich oft nicht messen. Etwa, ob ein Vater Zeit für sein Kind hat und ein enges Verhältnis zu ihm aufbauen kann – oder ob er nur Sonntagspapa ist. Ob eine Mutter zwischen Beruf und Familie aufgerieben wird, oder ob sie Unterstützung bekommt. Genau das ist die Aufgabe von Familienpolitik: Menschen, die sich für Kinder entscheiden, das Leben zu erleichtern.

Kann der Staat alle Probleme junger Familien lösen, oder sind die Erwartungen an den Staat zu hoch?

Ich wünsche mir etwas mehr Mut. Meine Vor-Vorgängerin Renate Schmidt (SPD) hat einmal bemerkt, dass sich viele Paare erst dann für ein Kind entscheiden, wenn der Arbeitsplatz gesichert, das Haus finanziert und die Kinderbetreuung für die ersten drei Jahre perfekt organisiert sei. Wenn sie diese Maßstäbe angelegt hätte, sagte sie damals, sei keines ihrer drei Kinder je zur Welt gekommen. Ich stimme ihr zu: Oft fehlt doch vor allem der Mut, eine Familie zu gründen. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die Lust auf Kinder macht und nicht nur die Probleme betont. Natürlich ist es nicht immer einfach, Kinder großzuziehen. Ich habe aber noch keine Eltern getroffen, die sagten: Es war schöner ohne Kinder.

Wenn Sie einmal Kinder haben, wer wird dann bei Ihnen zu Hause bleiben – Sie oder Ihr Mann, der Staatssekretär im Innenministerium Ole Schröder?

Wer dann die Nachtschicht übernimmt oder den Brei anrührt – das bespreche ich dann exklusiv mit meinem Mann. Außerdem ist es nicht mein Job, eine bestimmte Rollenverteilung vorzugeben oder vorzuleben. Jedes Paar muss selbst entscheiden, wie es das Leben mit Kindern organisiert. Da gibt es viele Möglichkeiten. Politik hat lediglich dafür sorgen, dass jeder wirklich frei wählen kann. Darin sehe ich meine Aufgabe.

Das Gespräch führten Stephan Haselberger und Hans Monath. Das Foto machte Thilo Rückeis.

Zur Person:

VERJÜNGUNG

Kristina Schröder wurde vor einem halben Jahr Nachfolgerin der populären Familienministerin Ursula von der Leyen (beide CDU). Mit 32 Jahren ist die promovierte Gesellschaftswissenschaftlerin das jüngste Kabinettsmitglied. Das zeigt sich auch in ihren Kommunikationsmitteln: Die Ministerin twittert.

VERWEIGERUNG

Das Rollenbild, das ihre Vorgängerin mit ihren sieben Kindern vorlebte, will die bislang kinderlose Politikerin bewusst nicht ausfüllen. Vor ihrem Aufstieg hatte sich die Abgeordnete als Obfrau der Union im BND-Untersuchungsausschuss und als Extremismusexpertin hervorgetan.

VERWURZELUNG

Die CDU-Abgeordnete ist in der hessischen CDU gut verdrahtet und Mitglied des Landesvorstands. Ihren Wahlkreis Wiesbaden gewann die Abgeordnete 2009 direkt. Die „FAZ“ spekulierte kürzlich, die Bundesministerin könne im Land künftig wichtige Funktionen übernehmen.

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