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Politik: Familienpolitik: Kinder, Krippe, Karriere

Plötzlich sind sie eine umworbene Wählergruppe: Pünktlich zum Vorwahlkampf machen die Parteien in Deutschland die Familien zum Thema und überbieten sich mit Überlegungen, wie auch hierzulande das Kinderkriegen mit der Berufstätigkeit besser in Einklang zu bringen ist. Schließlich steht Deutschland in Europa keineswegs beispielhaft da, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht.

Plötzlich sind sie eine umworbene Wählergruppe: Pünktlich zum Vorwahlkampf machen die Parteien in Deutschland die Familien zum Thema und überbieten sich mit Überlegungen, wie auch hierzulande das Kinderkriegen mit der Berufstätigkeit besser in Einklang zu bringen ist. Schließlich steht Deutschland in Europa keineswegs beispielhaft da, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht. Besonders Frankreich hat es deutschen Familienpolitikern als Modell-Land angetan.

Bei den Nachbarn ist zwar ein ähnlicher Anteil von Frauen berufstätig wie in Deutschland (siehe Grafik). Allerdings ist die Geburtenrate in Frankreich deutlich höher als hierzulande. Das mangelnde Betreuungsangebot in Deutschland hat auch Folgen für die Erwerbsquote: So teilte das Statistische Bundesamt am Donnerstag mit, dass im Jahr 2000 vor allem der Anteil der Erwerbstätigen bei ledigen Frauen mit Kindern unter sechs Jahren stark zurückging.

Frankreich

Auf der anderen Seite des Rheins ist in den Augen der Politik die Förderung weiblicher Vollberufstätigkeit auch gleichbedeutend mit Familienförderung. In keinem anderen europäischen Land werden mehr Babies geboren, alleine im Jahr 2000 waren es über 770 000 Neugeborene, statistisch gesehen 1,89 Kinder pro Frau im vergangenen Jahr. Die Französin wird nicht von dem quälenden Gefühl geplagt, sich zwischen Karriere und Kindern entscheiden zu müssen wie beispielsweise ihre deutsche Geschlechtsgenossin. Nach drei Monaten bezahltem Mutterschaftsurlaub kehrt sie auf ihre Arbeitsstelle zurück, das Kind ist tagsüber in einer staatlich finanzierten Kinderkrippe untergebracht. Mit vier Jahren geht es in die Vorschule, die wie später die weiterführenden Schulen in Frankreich eine Ganztagsschule ist - bis zum Abitur. Fazit: Eine französische Mutter muss nicht jahrelang - wie in Deutschland - aus ihrem Beruf ausscheiden, um sich dann, meist unzufrieden, in einem Halbtagsjob wiederzufinden. Der Effekt ist enorm: Zufriedene berufstätige Frauen, die seit Mitte der neunziger Jahre mit der Zunahme der Arbeitsplätze im Handel und in der Verwaltung weniger von der Arbeitslosigkeit betroffen sind als die Männer.

Italien

"Bambini" werden in Italien vergöttert wie nirgends sonst - und kaum irgendwo in der Welt werden weniger Kinder geboren. Jahrelang hielt das Land den sicheren Schlussplatz in der weltweiten Geburtenstatistik. Doch jetzt, so berichtete kürzlich die römische Tageszeitung "La Repubblica", scheint der Trend gebrochen: Seit 1999 steigt die Rate, minimal zwar, von 1,21 Kindern pro Italienerin im gebärfähigen Alter auf 1,22 und 2000 dann auf 1,24. Aber die Experten sehen einen Qualitätssprung: Überall in Italien sei man inzwischen "sicher über 1,20", sagt der Chef der Demographie-Abteilung der nationalen Statistikbehörde Istat. Und zum Erstaunen der Beobachter steigt die Geburtenrate nicht im kinderreicheren ländlichen Süden, sondern im entwickelten städtischen Norden, wo nicht nur mehr Männer, sondern auch mehr Frauen erwerbstätig sind. Erstmals überflügelte 1999 Südtirol Kampanien, die Region um Neapel, die traditionell die Statistik anführte. "Mehr Arbeit und mehr Kindergärten gleich Babyboom" - wenn die Formel allerdings stimmt, die "Repubblica" frohlockend verkündete, hat Italien noch mehr nachzuarbeiten als Deutschland: Während hierzulande magere acht Prozent der bis zu Dreijährigen einen Betreuungsplatz haben, sind es dort gerade einmal fünf Prozent.

Finnland

Für Frauen in Finnland ist es schon lange eine Selbstverständlichkeit: In den meisten Familien mit Kindern arbeiten beide Elternteile. Vier von fünf finnischen Müttern sind berufstätig - deutlich mehr als in fast allen anderen Ländern Europas. Seit 1996 haben in Finnland alle Kinder bis zum Einschulungsalter von sieben Jahren einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, sei es in einem "päiväkoti", einer Kindertagesstätte, oder bei einer Tagesmutter. Die Betreuungskosten werden zum größten Teil von den Kommunen getragen. Doch auch wer sich lieber zu Hause selbst um sein Kind kümmern will, wird vom finnischen Staat nicht allein gelassen. Im Anschluss an den Mutterschafts- und Elternurlaub kann ein Elternteil unbezahlten Erziehungsurlaub nehmen, bis das Kind drei Jahre alt ist. In dieser Zeit erhalten Familien von den Kommunen Kinderbetreuungsgeld, das bei mindestens 252 Euro im Monat liegt.

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