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Politik: Fast wie in alten Zeiten

Russland ist verärgert über Kritik aus den USA – Medien sehen Parallelen zum Kalten Krieg

Wenn Putin am Mittwoch an die Mikrofone tritt, um seine diesjährige Botschaft ans Parlament zu verkünden, ist ihm ein Millionenpublikum in aller Welt sicher. Anders als in den Vorjahren soll es diesmal vor allem um Außenpolitik gehen. Der Radiosender „Echo Moskwy“ prophezeite sogar einen außenpolitischen Kurswechsel. Eben deshalb, so der Chefkommentator des Senders, Andrej Tscherkisow, seien staatsnahe Medien, die sich seit dem Gasstreit mit der EU und der Iran-Krise ohnehin in antiwestlicher Hysterie überbieten, im Vorfeld zu neuer Hochform aufgelaufen.

Ganz besonders hoch schlugen die Wogen patriotischer Empörung nach der programmatischen Rede von US-Vizepräsident Dick Cheney auf dem Gipfel der Ostsee- und Schwarzmeer-Anrainer im litauischen Vilnius. Moskau missfiel schon der Teilnehmerkreis: Neben osteuropäischen EU-Neumitgliedern und Beitrittskandidaten waren auch die Staatschefs der GUS-Staaten Georgien, Moldawien und der Ukraine angereist. Aus Sicht des Kremls sind diese Staaten die mit Abstand unsichersten Kantonisten bei Moskaus Plänen, die in sich zerstrittene UdSSR-Nachfolgegemeinschaft mit ökonomischem Druck wieder auf Linie bringen. Noch suspekter war dem Kreml und dem Außenministerium, was der illustre Kreis in Vilnius von sich gab. Allen voran Cheney: Entweder Russland kehre zur Demokratie zurück oder werde künftig als Feind betrachtet.

Am Wochenende nun reagierte Außenminister Sergej Lawrow: Demokratie, so der Diplomat mit einem Seitenhieb auf die USA, sei „nicht nur innerhalb eines Staates nötig, sondern auch auf internationalem Parkett“. Lawrow sagte weiter, er habe geglaubt, ein Politiker vom Range Cheneys habe „ein breites Spektrum objektiver Informationen zur Verfügung, aber anscheinend wurde er von seinen Beratern im Stich gelassen“. Russische Medien zogen nun gar eine Parallele zum Kalten Krieg: Cheneys Äußerungen seien die „schärfsten antirussischen Angriffe seit dem Ende der Blockkonfrontation“. Bisher war die Russland-Kritik in Washington Sache des State Departments und der Sprecher des Weißen Hauses. Mit Cheney hat die US-Kritik an Moskau eine neue Ebene erreicht. Und die USA unterstützen damit auch Georgien, die Ukraine und Moldawien, die sich von Russland bedrängt fühlen.

Geht es nach den USA, könnte bei dem G-8-Gipfel im Juli in St. Petersburg neben Iran womöglich Moskau selbst als Problemfall auf die Tagesordnung kommen. Das aber kann Präsident Putin gar nicht recht sein.

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