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FDP: Auf dem Marktplatz

Steht im Moment gut da: die FDP will die Finanzkrise nutzen, um soziales Profil zu zeigen – für 2009 setzt die Partei aber auch auf Bürgerrechte und Bildung.

Hans-Jürgen Beerfeltz ist zuständig für einfache Formeln. Das ist sein Job als Bundesgeschäftsführer der FDP. Also sagt er: „Freiheitlich, optimistisch, modern.“ Diese drei Schlagworte sollen den Kern der Marke FDP im Wahlkampf 2009 bilden. Im zweiten Stock der Parteizentrale in Berlin-Mitte hat Beerfeltz in einem kleinen Raum schon mal die Wahlkampfzentrale seiner Partei eingerichtet, und weil er sie in Deutschland nicht unbedingt „war room“ nennen darf, heißt sie „Ideen- Reich“. Das Wort „marktwirtschaftlich“ kommt allerdings in der FDP-Kampagne nicht vor, es ist ja auch ein Reizwort geworden in dieser Zeit, in der eher nach einem starken Staat gerufen wird. Dabei könnte die FDP ihre Marktkompetenz, auf die sie seit Jahren stolz ist, gerade angesichts der Banken- und Finanzmarktkrise betonen. Oder schadet sie der FDP, weil sie doch sowieso schon seit Jahren von ihren politischen Gegnern als neoliberal bezeichnet wird?

Da es die Aufgabe von Beerfeltz ist, die Dinge „optimistisch“ zu sehen, sagt er: „Die Diskussion wird das Alleinstellungsmerkmal der FDP verdeutlichen.“ Beerfeltz meint mit Alleinstellungsmerkmal nicht das Marktradikale, denn das sei Klischee; er glaubt, die FDP werde es schaffen, sich als die Partei der „sozialen Marktwirtschaft“ zu beweisen.

Zumindest befindet sich die FDP wenige Wochen vor Beginn des Superwahljahres 2009 mit Kommunal-, Landes-, Europa- und Bundestagswahlen in einer interessanten Position. In Bayern hat sie quasi als Splitterpartei den Sprung in den Landtag geschafft und regiert jetzt mit der CSU, in Hessen hat sie wieder die Chance, bei Neuwahlen in die Regierung einzutreten; sogar Schwarz-Gelb, die liberale Wunschkoalition, ist möglich. Hinzu kommt, dass die Liberalen mittlerweile auch bei einem anderen Thema wahrgenommen werden, das sie lange vernachlässigt hatten: den Bürger- und Freiheitsrechten. Die Verfassungsbeschwerden gegen die Sicherheitsgesetze, etwa die Online-Durchsuchung, waren der Anfang, der nun gut und länderübergreifend organisierte Widerstand gegen das BKA-Gesetz ist die Fortsetzung. Sollten die Liberalen jetzt noch die Finanzkrise nutzen, um sich, wie Beerfeltz sagt, als „soziale“ Marktwirtschaftler zu etablieren, dürfte ein gutes zweistelliges Ergebnis bei der Bundestagswahl möglich sein.

Was der FDP als Wirtschaftspartei bisher in der öffentlichen Wahrnehmung fehlte, war eine Art soziales Gewissen, ja ein humanistischer Überbau. Vielleicht hat das der ehemalige FDP-Vorsitzende und jetzige Chef der Friedrich-Naumann-Stiftung, Wolfgang Gerhardt, am besten verstanden; zumindest hat er in der aktuellen Debatte um die Finanzmarktkrise den Bogen am weitesten gespannt – bis hin zu alten liberalen Grundüberzeugungen. „Für Liberale ist der Eingriff des Staates nicht das Ende der Marktwirtschaft. Markt ist mehr als Gewinnmaximierung“, schrieb Gerhardt in einem Positionspapier und berief sich auf Wilhelm Röpke, einen liberalen Wirtschaftshumanisten und geistigen Mitbegründer der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland. Gerhardt forderte sogar eine „kulturelle Neugründung“ der Marktwirtschaft und gestand damit indirekt ein, dass die Liberalen in den letzten 25 Jahren nicht deutlich gemacht haben, was einer wie Röpke wollte: eine geistig-moralische Rahmenordnung für den Erfolg von Marktwirtschaft. Für Röpke, der von 1899 bis 1966 lebte, vor den Nazis nach Istanbul und Genf fliehen musste und zu den Galionsfiguren der deutschen Wirtschaftsgeschichte zählt, war der freie Markt nur eine Art Sozialtechnik. Allerdings keineswegs zum Selbstzweck oder zur Gewinnmaximierung, sondern als Instrument für eine gerechte soziale Ordnung. Ein schöner Satz Röpkes lautet: „Nationalökonomisch dilettantischer Moralismus ist ebenso abschreckend wie moralisch abgestumpfter Ökonomismus.“

An dieser Stelle der Debatte befindet sich die FDP aktuell, und viele in der Partei denken wie der junge niedersächsische FDP-Chef Philipp Rösler: „Die Debatte über die Finanzkrise ist für uns auch ein Forum, um zu erklären, dass wir für soziale Marktwirtschaft eintreten – und was das für uns bedeutet. Wir können klarmachen, dass wir keine Marktradikalen sind, wie manche glauben.“ So sieht es auch Otto Fricke, der liberale Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Bundestag: „Wir müssen eine emotionale Kompetenz haben, auch wenn wir wegen unserer Fachlichkeit gewählt werden.“ Fricke ist sich sicher, dass die Diskussion sich in den kommenden Monaten wegbewegen wird von der Frage, wie Markt und Staat in Einklang zu bringen sind, hin zur Frage: Was tun gegen die Rezession? Fricke glaubt: „Je länger die Rezession dauert, desto mehr Menschen wird es geben, die weitere Reformen für notwendig halten.“

Röpke wiederum dient den Jungen und Älteren in der FDP ähnlich wie der liberale Vordenker Karl-Hermann Flach auch als Erinnerung daran, dass sich Liberale stets um mehr zu kümmern haben als nur um Wirtschafts- und Steuerfragen. Vor allem die jüngeren Liberalen um Rösler haben schon lange erkannt, dass die Partei sich breiter aufstellen muss. Die Marktkompetenz soll nicht mehr allein im Vordergrund stehen: „Als Partei haben wir uns vor allem in diesem Jahr wieder mehr selbst gefunden. Wir sind näher bei uns und bei dem, was uns traditionell ausmacht. Wir sind nicht mehr nur Wirtschafts- und Steuersenkungspartei, sondern auch wieder die Partei der Bürgerrechte. Und wir werden auch die Partei der Bildungschancen sein. Das sind Säulen unseres Profils. So gehen wir in den Wahlkampf“, sagt Rösler.

Diese Ausrichtung findet auch Geschäftsführer Beerfeltz „kampagnenfähig und gut“. Es gebe genügend Leute, die sich politisch einbringen wollen, Bürgerrechte seien dafür ein geeignetes Thema, sagt er und zeigt auf ein Plakat mit einer riesigen Nase und einem Verbotssymbol: „Nase raus aus unseren Bankkonten“, steht drauf – und diente schon als Parole auf Demonstrationen für Bürgerrechte. Für Straßenkampf ist sich die FDP anscheinend nicht mehr zu schade.

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