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Jubel in Gelb. Die FDP überraschte sich mit ihrem Ergebnis selbst.

© dpa

FDP in Niedersachsen: Der frühe Sieger des Abends

Eine solche Aufholjagd hatte niemand für möglich gehalten. Die FDP überrascht alle. Viel deutet darauf hin, dass ihr gutes Ergebnis allein auf Leihstimmen von der CDU beruht. Spannend machen es die Liberalen so aber allemal.

Der Schrei ist ohrenbetäubend, rhythmisches Klatschen setzt direkt danach ein im Leibniz-Saal, angesiedelt im Erdgeschoss des niedersächsischen Landtags. Die Schreie und Jubelrufe kommen von Menschen, die knallgelbe Schals tragen, hier feiert die FDP ein nicht für möglich gehaltenes Ergebnis. Es ist im Prinzip, nach allem Gerede und Diskussionen auch um den Bundesparteichef Philipp Rösler, eine Sensation. Denn egal, wie die Wahl am Ende ausgeht, das ist um diese Uhrzeit um kurz nach 18 Uhr noch nicht zu sagen, die FDP wird Sieger bleiben. Und feiern.

18 Monate lang lagen sie in Niedersachsen zwischen drei und vier Prozent, niemand hat eine solche Aufholjagd für möglich gehalten. Der SPD-Spitzenkandidat Stephan Weil, Oberbürgermeister von Hannover, ist nach langem Zögern auch deshalb angetreten, weil die schwachen Zahlen für die Liberalen deutlich auf ein Aus im Landtag hingedeutet hatten und weil er so versuchen konnte, Rot-Grün als Gegenmodell aufzubauen und auch als ein Modell, das bei der kommenden Bundestagswahl funktionieren kann.

Und nun diese Sensation, mit einer sehr wichtigen Einschränkung:  Nach den ersten Analysen der Demoskopen basiert das Ergebnis allein auf Leihstimmen von der CDU. Niemals hätte es die FDP aus eigener Kraft geschafft. 

Im Landtag von Niedersachsen ist die Betriebstemperatur schlagartig um 18 Uhr gestiegen. Über 1200 Journalisten belagern den politischen Mittelpunkt dieses Flächenlandes, 30 Kilometer Kabel wurden in und um den Landtag verlegt, aber jetzt, zwischen 18 und 19 Uhr haben sich die allermeisten Anwesenden, Journalisten wie Politiker in die einzelnen Fraktionsräume begeben, wo die ersten Hochrechnungen bejubelt oder ungläubig beäugt werden.

Vielleicht ist es ja symbolisch, dass die Organisatoren dieses Wahlabends, die Linke ins Erdgeschoss verbandt hat, die Partei spielt wie die Piraten keine Rolle, sie kommen wohl sicher nicht mehr ins Parlament.

Bei den Grünen wissen sie im kleinsten Saal des Abends, im Sitzungsraum 177, nicht so recht, wohin mit ihren Gefühlen. Die Partei hat wohl das beste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren und doch könnte es sein, dass es nicht reichen wird. Enno Hagenah, seit vielen Jahren Abgeordneter und ein Weggefährte von SPD-Spitzenkandidat Stephan Weil sagt: "Wir werden eine Flasche Sekt aufmachen, aber ob wir auch den Champagner köpfen, das hängt von der SPD ab." Dann sagt Hagenah noch, er sei positiv angestachelt, dass sich das alles für uns noch positiv wendet.

Die ist einen langen Gang weiter weg ebenso unsicher, denn die 32,5 Prozent sind um 18 Uhr weniger, als man sich das erhofft hatte. Der Fraktionschef der SPD im Landtag, Stefan Schostok, der gute Chancen hat, Weil als Oberbürgermeister zu beerben, sagt trotzdem mit einer sehr merkwürdigen Ruhe: "Wir können das noch schaffen. Ich habe mit diesen Zahlen gerechnet. Die FDP wird von der CDU künstlich am Leben gehalten."

Aber das ist den Liberalen völlig egal. Sie haben schon vor 18 Uhr die Gerüchte über das Ergebnis vernommen, schon um 17.23 Uhr hatten sie Unmengen von Prosecco Flaschen aufgemacht und ausgeschenkt. Im Saal leuchteten die gelben Luftballons, in den Gesprächen drehte sich alles um die unglaubliche Zahl von zehn Prozent. "Hast du schon gehört", dann ungläubiges Glucksen und strahlende und plötzlich sehr selbstbewusste Gesichter.

Bei der CDU wissen sie nicht genau, ob die Taktik nun aufgegangen ist. Es gibt keinen Champagner, es gibt südafrikanischen Rotwein, im größten Saal aller Parteien hängen die Plakate von allen Direktkandidaten. Im Raum ist es kaum möglich, Luft zu holen, so voll ist er mit Menschen. Die spitzen Schreie der FDP hat man hier nicht gehört, aber schon sehr großen Jubel, denn nun ist es zwischen 18 Uhr und 19 Uhr erst einmal so, dass David McAllister, der Ministerpräsident, Recht behalten hatte mit seiner bis zur Ohnmacht wiederholten Parole: "Wir haben den Blinker gesetzt, wir überholen jetzt das rot-grüne Genossenmobil, und wir werden am Ende vorn sein." 

Bei der SPD sind alle sofort bemüht, eine Diskussion sehr klein zu halten. Und so sagt Schostok wie immer mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht: "Ich kann nicht nachvollziehen, dass Peer Steinbrück das Ergebnis negativ beeinflusst hätte." Aber das ist das offizielle Wording in der Partei, niemand hat das anders gesagt, nur hinter vorgehaltener Hand. Genauso wie die Grünen haben die Wahlkämpfer draußen am Stand und die Parteistrategen in den Geschäftsstellen gesagt: "Rückenwind sieht anders aus."

Nun wird man sehen, wie der Abend verläuft, und wer am Ende Sieger ist. Die Liberalen jedenfalls sahen schon um kurz vor 18.30 Uhr recht freudetrunken aus. Und die Musik war schon so laut wie auf einer echten Siegerparty.

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