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Politik: FDP – jetzt auch mit Kuschelecke

DREIKÖNIGSTREFFEN

Von Gerd Appenzeller

Zwischen Dreikönig und Aschermittwoch liegen in diesem Jahr 51 Tage. Aber Zeit ist relativ. Ein bisschen war gestern in Stuttgart schon Aschermittwoch, und, rein atmosphärisch betrachtet, ging es im biederen Staatstheater zu wie in der Passauer Nibelungenhalle. Zwar wurde weder geraucht noch gesoffen, und Lederhosen hatte auch keiner an. Aber so wie sich die Christsozialen am 25. Februar an den Worten ihres Vorsitzenden aufrichten werden, saugten die Liberalen gestern begierig auf, was ihnen Guido Westerwelle zu sagen hatte.

Das Schwäbische war ein guter Ort für diese spezielle Variante einer Erweckungsbewegung. Generalsekretärin Cornelia Pieper, die sonst eher keine haarscharfe Formuliererin ist, traf es diesmal, als sie über die liberale „Glaubensgemeinschaft“ ins Schwärmen geriet. Entzücken gehörte bislang nicht zum liberalen Lebensgefühl. In der Erinnerung sind da eher Bah-Worte wie „Partei der besser Verdienenden“ und Begeisterung bestenfalls für die robusten Anflüge einer jugendlichen Ellbogengesellschaft. Das alles ist nicht nur vorbei, es war allenfalls ein schlimmer Traum, aus dem man schweißnass, aber geläutert aufwacht. Ein Heilschlaf eben. Wir haben eine neue, gesundete FDP kennen gelernt, wiedergeboren aus dem Geist der Zerknirschung und des Selbstzweifels, eine echte Herzensgemeinde, in der Anteil nehmende Zuwendung und Nächstenliebe ein Heimatrecht haben. Das alles und mehr hat Westerwelle gestern über seine Partei gesagt. War das die späte Wirkung des Silvesterchampagners?

Ach, nicht doch. Es ist wohl eher Taktik. Aber eben doch auch mehr als Taktik. Schmerzt da vielleicht das Gefühl eines tief greifenden Defizites? Die FDP hatte sich ein wenig selbst verloren. Die Auseinandersetzung mit Jürgen Möllemann traf die Männer an der Parteispitze tiefer, als sie öffentlich eingestehen wollten. Und als ausgerechnet am Tage des Dreikönigstreffens bekannt wurde, dass und unter welchen Umständen dessen Witwe eine Spendenbescheinigung über 980000 Euro erhalten hatte, wurde der Möllemann’sche Schatten lang und dunkel. Dass Werte wie Fairness und Kollegialität ganz allgemein nicht unbedingt zum Profil von Parteien zählen, kann als bekannt vorausgesetzt werden. Aber die FDP hat da doch im Miteinander einige ganz herausragende Beispiele kleinerer und größerer Gemeinheiten geliefert.

Da war etwas zu korrigieren, dass spürte Westerwelle wohl, der ja viel emotionaler ist, als er sich – aus Angst vor der eigenen Jugend – in seiner Position als Parteichef auszuleben zugesteht. Das unterscheidet ihn auch von den anderen. Von Walter Döring, der für eine Partei mit einem gewissen intellektuellen Anspruch einfach zu flach tut. Von Wolfgang Gerhardt, dem man die Rolle des schneidenden Polterers wohl niemals abnehmen wird. Warum sie alle an Westerwelle zwar bellend hochspringen, ihn aber nicht beißen können, hat gestern jeder begriffen. Er ist einfach in einer anderen Spielklasse zu Hause.

Aber wohin führt das die FDP? Den gesetzten Herren, die im Staatstheater Zuversicht tankten, machte Westerwelles Appell ans Gemüt durchaus warme Herzen. Sie haben diese liberale Kuschelecke lange vermisst, in der man seit gestern nun auch offiziell wieder Platz nehmen darf. Der etwas kaltschnäuzige Neue-Markt-Look der FDP hatte nie ihrem Verständnis von Liberalität entsprochen. Man darf auch wieder jugendliche Begeisterung zeigen, sich ganz unverkopft freuen und ein bisschen aufgeregt sein, wie die Europakandidatin Silvana Koch-Mehrin – noch nicht einmal halb so alt wie 80 Prozent ihres Auditoriums.

Hat die FDP also wieder Zukunft? Der Anflug von Seelsorge-Rhetorik ist dafür keine Garantie. Bei der Hamburgwahl am 29. Februar sieht es nicht gut aus für die Partei. Wie bleibt sie im Gespräch, wenn die Entscheidung über den nächsten Bundespräsidenten gefallen ist? Gleich danach wählt Europa. Davon hängt viel ab. Die Botschaft von Stuttgart jedenfalls heißt nicht „Wir sind wieder wer!“, sondern: „Wir sind noch da“. Das ist, endlich, nicht ganz so vollmundig wie sonst, aber dafür Vertrauen erweckender.

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