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Er prägt den Auftritt der Partei: FDP-Chef Christian Lindner.

© dpa

FDP: Liberale fürchten Absturz in Bedeutungslosigkeit

Vier Wochen vor der Europawahl wirbt die Partei vergeblich um Aufmerksamkeit. Das Problem der Liberalen: Sie werden ihr Image der kalten Steuersenker und Marktradikalen nicht los.

Von Antje Sirleschtov

Mal drei, mal vier Prozent: So richtig optimistisch klingen die Umfragewerte der FDP vier Wochen vor der Europawahl am 25. Mai nicht. Und auch wenn man noch ein paar Monate vorausblickt, also nach Sachsen und Thüringen, wo in diesem Herbst neue Landtage gewählt werden, dann fällt eines auf: Die Liberalen haben es schwer, sich nach ihrer großen Wahlschlappe im vergangenen September wieder ins Gedächtnis der Wähler zurückzubringen. Und das, obwohl ihr neuer Vorsitzender Christian Lindner und der Schleswig-Holsteiner Wolfgang Kubicki unermüdlich in den Medien unterwegs sind und ihre liberalen Botschaften platzieren.

Woran also könnte es liegen, dass der von der FDP erhoffte Phantomschmerz der Deutschen nach dem Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag sich nicht einstellen will? Es scheint, dass die Wähler die Liberalen überhaupt nicht vermissen. Wenn sich dieser Eindruck tatsächlich in den Wahlentscheidungen der nächsten Monate bestätigen sollte, dann droht der FDP eine weitere Erosion von Mitgliedern und Sympathisanten. Für die Partei besteht die Gefahr, in die totale Bedeutungslosigkeit abzurutschen. Denn bis zur nächsten Bundestagswahl ist es noch sehr weit.

Als der an Lebensjahren noch junge Christian Lindner im vergangenen Winter die Parteiführung übernahm, trat er wohl eines der schwersten Parteiämter in Deutschland an. Tief frustriert und zermürbt standen seine Mitglieder vor ihm, Groll und gegenseitige Schuldzuweisungen waren – wenn auch nicht immer öffentlich – an der Tagesordnung. Glaubt man Berichten aus den Gremiensitzungen der Parteiführung, dann hält diese Phase bis heute an.

Die One-Man-Show des Christian Lindner

Anders als seine Vorgänger hat Lindner zwar von Anfang auf Teamarbeit gesetzt und viel frisches Blut in die Führungsspitze geholt. Aber eine Partei, die sich liberal nennt, das Liberale in ihren Strukturen aber über viele Jahre verlernt hat, tut sich schwer mit Gruppenarbeit. Zumal, wenn jede neue Idee von den alten Hasen als Kritik an der eigenen Arbeit aufgefasst wird. Schaut man auf die Ergebnisse der Lindner-Führungsstils, dann fällt vor allem eines auf: Statt vieler Köpfe ist am Ende doch nur Lindner sichtbar. In Zeitungsinterviews und Talkshows taucht der smarte und intelligente FDP-Spitzenmann regelmäßig als das alleinige Gesicht der Partei auf. Wie einst Guido Westerwelle. Sollte es darüber hinaus noch neue unverbrauchte Liberale mit frischen Ideen für bessere Politik geben, dann jedenfalls teilt sich das der Öffentlichkeit nicht mit.

Zweites Problem: Christian Lindner kann eben nur Christian Lindner. Wenn er debattiert, dann geht es um Wirtschaftspolitik oder Ordnungspolitik auf den Märkten. Der Nordrhein-Westfale Lindner ist eindeutig ein Wirtschaftsliberaler, der sich zwar redlich bemüht, Freiheits- und Bürgerrechtsseiten zu zeigen. Aber in der Breite der Themen, die die Menschen im Land interessieren, hat Lindner wenig zu bieten. Ob es neue Ansätze in der Familien- oder Bildungspolitik sind, ob Renten- oder Naturschutz-, Nachhaltigkeitsthemen oder ganz einfach Fragen, die beispielsweise Frauen interessieren könnten: Die FDP kann sich in aktuellen Diskussionen nicht mit frischen und intelligenten Ansätzen ins Gespräch der Leute drängen. Lindners ursprünglicher Plan, nämlich mit neuen konzeptionellen Aspekten Achtungserfolge zu erringen, scheint nicht zu funktionieren. Fehlt es an Ideen, stimmt seine Personalwahl nicht? Auf jeden Fall kommt die FDP nicht von ihrem Image der kalten Steuersenker und Marktradikalen runter.

Luxemburg als Modell?

Vor Jahren ist es ähnlich der Luxemburger Schwesterpartei ergangen. Zwar flogen die dortigen Liberalen, die Demokratische Partei DP, nicht aus dem Parlament. Aber sie mussten empfindliche Wahlniederlagen hinnehmen und irgendwann feststellen, dass man allein mit Markt- und Leistungsthemen die Bürger nicht mehr erreicht. Was folgte, war eine radikale Überprüfung der politischen Prioritäten und der Botschaften. Heute kümmert sich die DP um neue Schulstrukturen, die insbesondere den Zuwanderern Bildungschancen eröffnen, steht für den Bau bezahlbarer Wohnungen, strebt kostenlose Kinderbetreuung für alle an. Und die Grünen sind nicht mehr Gegner, sondern Partner, wenn es darum geht, eine moderne ökologische Umwelt- und Energiepolitik ins Werk zu setzen. Bei den Parlamentswahlen 2013 gelang den Luxemburger Liberalen ein Comeback, heute regiert die DP mit Sozialisten und Grünen das kleine Land und stellt sogar den Ministerpräsidenten.

„Mehr Chancen“ haben auch die deutschen Liberalen ihr Wahlprogramm für die Europawahl überschrieben. Am 10. Und 11. Mai wollen sie sich bei einem Parteitag in Dresden damit präsentieren. Ihr Spitzenkandidat Alexander Graf Lambsdorff gilt in Brüssel als ausgewiesener Kenner der europäischen Politik und als guter Außenpolitiker. Seit in Deutschland die Wahlplakate der Parteien auf ihre Themen zur Europawahl hinweisen, kann man Lambsdorffs Gesicht auch hierzulande sehen. Wer den Bonner allerdings nicht kennt, und das sind wahrscheinlich die allermeisten, wird Mühe haben, ihn überhaupt mit der FDP in Verbindung zu bringen. Mit bekannten Gesichtern der Liberalen jedoch bringt sich die FDP bei ihrer Kampagne nicht in Erinnerung. Und so hat es den Anschein, als steuere die Partei wenig selbstbewusst in ihre erste Bewährungsprobe seit der Bundestagswahl.

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