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Lang ist’s her. Im Wahlkampf 2009 hat die FDP – hier Parteivorsitzender Guido Westerwelle in München – eine Menge versprochen. 14,6 Prozent der Wähler hofften auf die Liberalen. Nun liegen sie in Umfragen unter fünf Prozent. Foto: Oliver Lang/ddp

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FDP: Liberale Leere

Schwarz-Gelb hat das zentrale Thema Steuersenkung abgesetzt – die Lage für die FDP wird bedrohlicher.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - „Wäre an diesem Sonntag Bundestagswahl …“ Es gibt wohl kaum einen Satzanfang, der im Augenblick schmerzhafter in den Ohren liberaler Politiker klingt. Denn er endet mit der bitteren Wahrheit: „… dann wäre die FDP nicht mehr im Bundestag vertreten“. Schließlich kommt die FDP in den aktuellen Umfragen nur noch auf vier Prozent, was unter der Fünfprozenthürde liegt, die zum Einzug in das Parlament berechtigt. Und einem Erdrutsch gleicht im Vergleich zu den 15 Prozent der Wähler, die der Partei vor einem Jahr das Vertrauen gaben und sie in die Bundesregierung wählten.

Für die FDP bricht nach der Sommerpause eine Zeit ohne klare Richtung und vor allem ohne Gewähr auf Besserung an. Solide Arbeit in der Regierung abliefern: So lautet die Ermahnung der Parteioberen an sich selbst. Angesichts der großen Themen, die in diesem Herbst anstehen, vom Energiekonzept über die Gesundheitsreform bis zur Sicherungsverwahrung, ist das aber leichter gesagt als getan.

Das Kernthema, auf das Parteichef Guido Westerwelle seine Partei jahrelang ausgerichtet und mit dem er 2009 breite Wählerschichten erschlossen hatte, die Senkung von Steuern und Abgaben, ist jedenfalls durch die Finanzkrise schon vor dem Sommer von der Tagesordnung der schwarz-gelben Koalition genommen worden. Und den ersten Versuch, es im Herbst wiederzubeleben und den Anhängern eine „Konjunkturdividende“ zu versprechen, weil die Wirtschaft unerwartet rasch wächst, hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Anfang der Woche zunichte gemacht.

Für die FDP bleibt allenfalls, sich ihren Anhängern als Garant von Steuervereinfachungen zu präsentieren. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) prüft derzeit eine 90-Punkte-Liste von möglichen Vereinfachungen und Pauschalierungen. Allerdings wird Schäuble darauf achten, dass die damit einhergehenden Einnahmeverluste möglichst gering bleiben. Schließlich will sich die Union damit profilieren, durch Sparsamkeit die Schuldenbremse im Grundgesetz einzuhalten. Für die FDP steckt darin ein Dilemma: Einerseits muss sie ihrer eigenen Klientel das Gefühl geben, die Steuervereinfachung werde auch Entlastung bringen, also kein Feigenblatt für die Partei sein, die ihr Versprechen vom „mehr Netto vom Brutto“ in der Regierung nicht durchsetzen kann. Andererseits darf sie durch allzu lautes Einfordern von Steuerentlastungen durch Vereinfachungsregeln das Klima in der Regierung nicht wieder vergiften. Denn so weit haben die Parteistrategen das erste Regierungsjahr analysiert: Wenn es bei Schwarz-Gelb Zoff gibt, schadet das zuerst der FDP.

Offen ist auch die Zukunft des FDP-Vorsitzenden. Vor der Sommerpause hatte Westerwelle sich vorgenommen, den Herbst intensiv mit außenpolitischen Themen zu bestreiten. Traditionell bringt dieses Ressort der FDP Ansehen, Westerwelle muss es gelingen, an diese Tradition anzuknüpfen. Als Parteivorsitzender und damit schlagkräftiger Innenpolitiker ist er angeschlagen. Mit einer kurzfristigen Abwahldebatte ist zwar nicht zu rechnen. Allerdings stehen im März drei Landtagswahlen an. Deren Ergebnis könnte die Führungsfrage erneut auflodern lassen.

Insbesondere Baden-Württemberg wird zur Messlatte werden. Der Südwesten ist eine Hochburg der FDP, die gerade im Erfolg der politischen Gegner unterzugehen droht. Die betont bürgerlich auftretenden Grünen genießen auch im mittelständischen Umfeld hohes Ansehen, dem Koalitionspartner CDU ist es zuzutrauen, die Regierung mit den Grünen fortzusetzen. Und die eigenen Leute misstrauen dem Führungspersonal. Landeschefin Birgit Homburger wurde im Sommer mit knapp über 60 Prozent gerade noch mal so wiedergewählt. Das Ergebnis wird zwar mit ihrer Rolle als Fraktionschefin in Berlin begründet. Das hilft jedoch nicht für die Zukunft. Denn die liberalen Forderungen, die die Landeschefin Homburger bis März 2011 eigentlich in Berlin lautstark vortragen müsste, wird sie als Fraktionsvorsitzende in Berlin mit Blick auf den Koalitionsfrieden zurückweisen müssen.

Zu „alten Kernkompetenzen“ zurückfinden – das hat der Ehrenvorsitzende Hans- Dietrich Genscher seiner Partei jetzt empfohlen. Mit vier Regionalkonferenzen will Generalsekretär Christian Lindner in diesem September die Debatte um ein neues Grundsatzprogramm einläuten. Bis März wird das allerdings nicht fertig sein.

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