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Parteichef Philipp Rösler bleibt nur eine Beobachterrolle beim Auftritt nach dem Wahlerfolg in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Verantwortlich für das gute Abschneiden sind vor allem die beiden Spitzenkandidaten: Christian Lindner und Wolfgang Kubicki.

© dpa

FDP nach der NRW-Wahl: Einer steht im liberalen Abseits

Der eine verschießt ein paar spitze und manchmal auch giftige Pfeile, der andere hält sich fein raus und der Dritte im Bunde weiß gar nicht, ob er überhaupt dazu gehört. Die Liberalen am Tag nach dem Erfolg in NRW.

Wolfgang Kubicki hat seinen Rausch ausgeschlafen. Vor einer Woche war er, wie immer nach einer Landtagswahl in Schleswig-Holstein, nicht nach Berlin gefahren, um sich von der FDP feiern zu lassen für einen überraschenden Wahlerfolg. Damals ließ er ausrichten, dass er seinen Rausch ausschlafen müsse. Jetzt, eine Woche später, ist er da und steht, voll aufgeladen, neben einem, der nicht so viel Zeit zum Regenerieren hatte: Christian Lindner. Auch er hat für liberale Verhältnisse ein fulminantes Ergebnis in Nordrhein-Westfalen eingefahren. Nur ist Kubicki aufgekratzter – aufgekratzter, als er ohnehin oft ist. Die erste Spitze kassiert Parteichef Philipp Rösler, noch bevor Kubicki richtig angefangen hat. Er geht zum Mikrofon, an dem zuvor Lindner gestanden hat, und erklärt, warum: „Sonst heißt es wieder, ich hätte den Bundesvorsitzenden verdrängt.“ Rums.

Im Norden und im Westen ist die Stimmung derzeit eben heiter. Nur im Bund will die Freude nicht recht aufkommen. Der Umfrageaufschwung in den beiden Ländern schafft es einfach nicht bis nach Berlin. Und so steht Parteichef Rösler da, abseits, am Rand, als wüsste er nicht so recht, ob er nun Teil der Erfolgsgeschichte ist oder nur stiller Beobachter. Schlimmer noch. Die Erfolgswelle des liberalen Seniors und des Juniors könnte über ihn hinwegrollen.

Reaktionen auf den Wahlausgang in Bildern:

Doch so weit ist es – noch – nicht. Rösler ist angeschlagen, keine Frage, aber in der Partei wissen sie, dass man schlecht den Parteichef just in dem Moment aus dem Amt kegeln kann, in dem die Partei dabei ist, sich ein wenig zu konsolidieren. Einige Liberale vertrauen darauf, dass der Ruck, der durch die Partei geht nach den beiden Wahlsonntagen, den Vorsitzenden mitzieht. Zeit gewinnt er in jedem Fall. Wären die beiden Wahlen anders ausgegangen, hätte es an diesem Montag in der FDP-Parteizentrale deutlich weniger Fragen nach der Union gegeben. Allein das ist ja ein Erfolg für die Liberalen. Die Wahlkämpfer in NRW und auch einige im Bundesvorstand rechnen Rösler an, dass er den Stein mit ins Rollen gebracht habe. Seine Haltung bei der Suche nach einem neuen Bundespräsidenten und auch seine Standfestigkeit im Fall Schlecker habe immerhin dazu geführt, dass man wieder über die FDP geredet habe – und das nicht nur schlecht. Allerdings müssen dieselben Liberalen zugeben, dass Rösler mit seiner Formulierung über die „Anschlussverwendung“ für die Schlecker-Mitarbeiter, die schöne ordnungspolitische Kulisse gleich wieder eingerissen hat.

"Mir Rösler wären wir untergegangen"

In einem sind sich die Liberalen einig: Sie wollen jetzt etwas Ruhe. Solidität zeigen. Auch am Wahlabend, als das Bier auf der liberalen Wahlparty längst alle ist, ist noch immer viel von „innerem Frieden“ und „Beruhigung“ die Rede. Am liebsten will man gar nicht über Rösler sprechen. Einer schon: Thomas Nückel. Der Mann kommt aus Herne und ist noch immer völlig perplex, dass er es in den Landtag geschafft hat. Und er weiß, woran es lag: „Wenn wir hier nur mit Rösler aufgetreten wären, wären wir untergegangen. Denn bei ihm gehen bei vielen Menschen die Augen zu, bei Lindner gehen sie auf, er macht neugierig.“

Die Landtagswahl in Bildern:

Und dieser Lindner steht nun auf der Bühne in der FDP-Parteizentrale. Dort hat er auf den Tag genau vor fünf Monaten auch gestanden und seinen Rücktritt als Generalsekretär verkündet. Nun kehrt er als Sieger zurück. Seitdem ist das Tuch zwischen Rösler und Lindner, wenn nicht zerschnitten, dann doch stark ausgefranst. Und Linders Erläuterung, er und Rösler hätten ein „ordentliches“ Verhältnis, ist nun auch keine Liebeserklärung. Auf Lindners Hilfe wird Rösler kaum setzen. Der Parteichef will Konsequenz und Seriosität zeigen. Er wird nicht müde, zu betonen, dass die FDP nun „Stimme der Vernunft“ werde in der Koalition. Fraglich ist, ob er die Hülse auch füllen kann. Lindner hat noch einen Rat, auch wenn er das nicht als solchen verstanden wissen will. In Schleswig-Holstein und NRW habe man jenen ein Angebot machen können, „die politisch heimatlos“ seien – den Wählern von Friedrich Merz oder Wolfgang Clement. Was er nicht sagt: Das sind Wähler, die auf starke Persönlichkeiten setzen. Rösler aber vermittelt derzeit nicht den Eindruck, solch eine zu sein.

Apropos starke Männer. Wolfgang Kubicki hat noch ein paar Gelegenheiten genutzt, um sein Adrenalin abzubauen. Es ist, als flögen immer mal wieder kleine spitze Pfeile durch die Luft, denen Rösler ausweichen muss. Als Rösler Kubicki auch noch kurzerhand zum schleswig-holsteinischen Landesvorsitzenden macht, kontert dieser trocken. „Ich bin kein Landesvorsitzender, und an den Sitzungen in Berlin habe ich auch nur einmal teilgenommen, sonst habe ich Wahlkampf gemacht, was vernünftiger war.“ Als Kubickis Wahlanalyse in eigener Sache kommt, scheppert es noch mal. Dabei kam heraus, dass Linder etwas besser abgeschnitten habe als er. „Aber klar, ich bin die Vergangenheit in der FDP und Christian Lindner ist die Zukunft.“ Rösler atmet jetzt schwer. Was ist er denn dann? Immerhin die Gegenwart, was ja auch schon ein Erfolg ist, an den vor Wochen kaum einer geglaubt hätte.

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