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Politik: Fehlendes Programm: Grüne Baustelle

Es sieht nach einer schweren Geburt aus. Seit Monaten arbeitet die Parteispitze der Grünen an einem Programm für die neuen Länder.

Von Matthias Meisner

Es sieht nach einer schweren Geburt aus. Seit Monaten arbeitet die Parteispitze der Grünen an einem Programm für die neuen Länder. Mehrfach war das Konzept angekündigt worden, nachdem ostdeutsche Grüne mit scharfer Kritik auf den vergangenen Grünen-Parteitag im März in Stuttgart reagiert hatten. Erst hatte die Parteiführung die Ideensammlung für den Osten noch für das Frühjahr angekündigt, im Juni auf einer Tour durch Thüringen trug Parteichef Fritz Kuhn ein Papier angeblich schon in seiner Tasche. Jetzt erhielten ostdeutsche Bundestagsabgeordnete aus Kuhns Büro einen ersten Entwurf, der bei den Adressaten aber nicht als der große Wurf ankam. "Zu krautig", heißt es aus den Büros der Parlamentarier über die Vorlage, andere halten die Konzepte gar für "grottenschlecht".

"Wir fühlen uns aufgegeben und abgeschrieben", hatte die Ost-Sprecherin der Bundestagsfraktion, die Dresdner Abgeordnete Antje Hermenau, nach dem Stuttgarter Parteitag geklagt - Kuhn und seine Ko-Chefin Claudia Roth hatten damals kein Wort zur Situation in den neuen Ländern verloren. Noch vor der Sommerpause müsse im Parteirat über ein Programm zum Aufbau Ost abgestimmt werden, verlangte sie damals.

Die Arbeit ging nur langsam voran. Zwar wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Ideen zusammentragen sollte. Unter Leitung von Kuhn beteiligt waren die Sachsen-Anhaltinerin Undine Kurth, Mitglied des Grünen-Bundesvorstandes, Parlamentsgeschäftsführerin Katrin Göring-Eckardt sowie die Abgeordneten Werner Schulz, Steffi Lemke und Antje Hermenau. Bis heute steht nicht einmal der Titel des Papiers fest. Die Autoren sind sich nicht einig, ob die Grünen unter der Überschrift "Neuer Aufbruch für den Osten" oder "Zukunft für den Osten" die Menschen in den neuen Ländern ansprechen sollen. Seit 1998 ist die Partei in keinem Ost-Landtag mehr vertreten.

Wenigstens über einige Kernbotschaften gibt es inzwischen Konsens - etwa die, dass die Förderung der Wirtschaft in Ostdeutschland als "nationale Aufgabe" begriffen werden müsse. Wirtschaftsansiedlung in den neuen Ländern sei gezielt zu unterstützen, werben die Grünen. Ähnlich wie bereits im Entwurf für ein Grundsatzprogramm formuliert, wollen sie einen besonderen Schwerpunkt auf ökologisches Wirtschaften sowie die Förderung von Forschung und Technologie legen. Neben Brücken in den ersten Arbeitsmarkt seien auch "Beschäftigungsmaßnahmen" weiterhin notwendig, sagt die Berliner Abgeordnete Franziska Eichstädt-Bohlig, weil die industriellen Kerne in Ostdeutschland nur "ganz klein" seien. Auch mit dem Kampf gegen Ausländerfeindlichkeit, Bürgerbeteiligung und SED-Unrecht will sich das Ost-Programm der Grünen befassen. Am kommenden Woche wollen die Ost-Politiker einen vorzeigbaren Entwurf fertigstellen.

Viel Zeit haben die Grünen nicht mehr. Im Frühjahr, wenige Monate vor der Bundestagswahl 2002, wird in Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt. Die Grünen-Führung rechnet damit, dass die FDP sich in diesem Landtagswahlkampf schwer ins Zeug legen wird - 1998 hatten die Liberalen den Einzug ins Magdeburger Landesparlament nur knapp verfehlt. Gezielt wurde die Hallenserin Cornelia Pieper zur Generalsekretärin der Bundes-FDP aufgebaut. Voraussichtlich werden die Freidemokraten auch wieder ihre Reserven mobilisieren - und noch einmal Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher in die Wahlkampfschlacht schicken.

Die letzte Landtagswahl vor der Bundestagswahl wird ein wichtiges Signal für die Bundespolitik geben. Schon deshalb ist sich der designierte Grünen-Wahlkampfmanager Rudi Hoogvliet sicher, dass sich seine Spitzenleute in Sachsen-Anhalt mächtig ins Zeug legen müssen.

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