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„Herr Gorbatschow, öffnen Sie dieses Tor!“ Reagans wohl berühmteste Rede.

© dpa

Reagan in Berlin: Feindbild von einst

Er sagte das Ende der Mauer voraus – ins Herz geschlossen haben ihn die Deutschen nicht.

In Deutschland hatte Ronald Reagan nie eine Chance, wie John F. Kennedy zum Präsidenten der Herzen zu werden. In den 80er Jahre verkörperte er, der am kommenden Sonntag vor 100 Jahren geboren wurde, für die Friedensdemonstranten das Feindbild schlechthin. „Wir wollen Sonne statt Reagan“, sangen damals Joseph Beuys und die Kölner Band BAP. Dabei hat seine Politik erheblich dazu beigetragen, dass der Kalte Krieg friedlich zu Ende ging. Das attestierte ihm später sogar der einstige Widersacher Michail Gorbatschow. Das erste Gipfeltreffen mit dem neuen sowjetischen Parteichef brachte 1985 die klimatische Wende. Zuvor hatte Reagan durch seine Rüstungspolitik gegen das „Reich des Bösen“, wie er die UdSSR 1983 noch nannte, die Gemüter aufgebracht, etwa durch seine Initiative zur Abwehr von Nuklearraketen im Weltraum. Erst später wurde gesehen, dass er mit seiner Aufrüstungspolitik die Voraussetzung für den Zusammenbruch der Sowjetunion geschaffen hatte. Reagan reichte es nicht, sie einfach nur in Schach zu halten. Irgendwann, glaubte er, würden die Sowjets den Blick nach innen richten und erkennen, dass es ihnen schlechter ging als den westlichen Kontrahenten. Und sich fragen: Warum eigentlich?

Es war ein sonniger Junitag im Jahr 1987, als Ronald Reagan vor dem Brandenburger Tor sprach. Anlass war der Besuch des US-Präsidenten zum 750. Geburtstag der Stadt. Ein handverlesenes geladenes Publikum lauschte ihm. Die Demonstrationen gegen den US-Präsidenten eskalierten in anderen Teilen der Stadt. Außenminister George Schultz wollte keine emotionale Rede über die Mauer, weil er fürchtete, dass dies den Abrüstungsverhandlungen schaden könnte. Das Originalmanuskript von Redenschreiber Peter Robinson war mehrfach umgeschrieben worden. Auf dem Weg zum Brandenburger Tor nahm Reagan selbst sich den Text noch einmal vor.

Dass er vor seiner Politikerkarriere Schauspieler gewesen war, wurde immer wieder süffisant vermerkt. Das erschien Deutschen nicht als ernsthafte Vorbereitung auf ein politisches Amt. Bevor er Schauspieler wurde, war er freilich Sportreporter und schrieb bis zu seiner Wahl zum Präsidenten seine Reden selber. Kurzerhand fügte er die entscheidenden Sätze wieder ein. Anlässlich einer Ausstellung im Alliiertenmuseum berichtete Nancy Reagan 2007, ihr Mann habe gegen den Rat seines Stabes „gefühlt“, dass diese Worte ausgesprochen werden mussten. Zu diesem Zeitpunkt korrespondierte Reagan bereits handschriftlich ganz persönlich mit Gorbatschow. Auch deshalb konnte er ihn so direkt ansprechen: „Herr Gorbatschow, öffnen Sie dieses Tor!“ Kaum einer glaubte, dass die Worte wahr werden würden, mit denen er seine Rede abschloss: „Die Mauer wird der Freiheit nicht standhalten können.“ Er selber war auch überrascht, sagte er gut drei Jahre später, als er selbst durchs Brandenburger Tor schritt.

Ronald Reagan ist Ehrenbürger von Berlin. Seine Politik wurde später in Deutschland von politischen Kommentatoren gewürdigt, nicht aber von den Massen. Im Dezember 1987 wurde der Vertrag zur Beseitigung der Mittelstreckenwaffen unterzeichnet, sechs Monate nach der visionären Rede vor dem Brandenburger Tor. Ein Jahr später erklärte er in Moskau, seine Beschreibung der Sowjetunion als „Reich des Bösen“ stamme aus einer anderen Zeit, einer anderen Welt. Und noch ein Jahr später, 1989, war das Brandenburger Tor offen.

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