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Politik: Finanzminister Schleußer hat nicht die ganze Wahrheit gesagt - er flog doch in Begleitung

Der Mann hat wenig geschlafen, und man sieht es ihm an. Die ersten Nachrichten des Tages hatten sich mit ihm beschäftigt.

Der Mann hat wenig geschlafen, und man sieht es ihm an. Die ersten Nachrichten des Tages hatten sich mit ihm beschäftigt. Wie diese Meldungen auf die Menschen im Lande wirken würden, war ihm klar. "Heinz Schleußer korrigiert sich", sagte der Sprecher trocken und berichtete davon, dass der Düsseldorfer Finanzminister 1990 eben doch nicht nur mit Friedel Neuber über Belgrad an die Adria geflogen ist, wie schon seit Wochen in Düsseldorf gemunkelt wurde. "Richtig ist außerdem", windet sich Schleußer später in einer schriftlichen Erklärung,"dass bei zwei bekannten Flugterminen neben anderen Personen auch eine Frau in meiner Begleitung war." Vor Wochen hatte der Finanzminister genau dies ausgeschlossen, nicht nur im Parlament war er danach gefragt worden, und jedes Mal hatte Schleußer entschieden "Nein" gesagt und dann hinzugefügt, dass er niemals "mit einem von der WestLB gecharterten Flugzeug in dienstlichen Zusammenhängen an die Adria geflogen" sei. Als Oppositionsführer Laurenz Meyer davon hörte, sprang er vor Freude in die Luft; endlich hatte er handfeste Munition für seine Entlastungsangriffe zugunsten der bedrängten Union. "Jetzt bricht das Lügengebäude zusammen", jubilierte Meyer.

Mit seinem Bekenntnis hatte Heinz Schleußer am Abend zuvor die Spitzengenossen in Düsseldorf geschockt. Der Landesvorstand war in Düsseldorf zusammengekommen, auf der Tagesordnung stand die Wahlkampfplanung, und da dies nicht allzu lange dauern sollte, wollte man den Geburtstag von Franz Müntefering ein wenig nachfeiern. Besonders lustig wurde es nicht. Bis zu diesem Abend hatte Heinz Schleußer auch im engsten Führungskreis nur den Kopf geschüttelt, wenn er nach den Gerüchten um seine Begleitung gefragt wurde. "Heinz, ist da noch etwas", hatte auch Wolfgang Clement immer mal wieder von ihm wissen wollen, aber Schleußer blieb eisern bei seinem "Nein".

Im kleinen Kreis beraten die Genossen, ob und welche Konsequenzen zu ziehen sind. Natürlich schwebt das Wort Rücktritt in der Luft, und selbst Schleußer wird klar, dass er mit diesem Bekenntnis seinen Kredit in der Öffentlichkeit weitgehend verspielt hat. "Dabei ändert das doch nichts am dienstlichen Charakter der Flüge", wirft er immer wieder in die Diskussion.

Am nächsten Tag wird er alle Termine auflisten, die er - zum Teil gemeinsam mit Bankchef Friedel Neuber - absolviert hat. Sie haben am 12. Juli 1990 die Filiale der WestLB in Belgrad eingeweiht, Schleußer war als Chef des Verwaltungsrates dabei. Am nächsten Tag flog man nach Split, es soll auch dort in Gesprächen um eine Dependance der Bank gegangen sein. Während Neuber allein nach Düsseldorf zurückkehrte, blieben Schleußer und seine Begleiterin an der Adria - wo das Boot des Ministers damals lag. Den Ablauf hatte Schleußer schon früher offengelegt. "Der Rest ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt", suchte er die Genossenrunde am Abend zu überzeugen.

"Das ist ein politischer Fehler des Finanzministers", verkündet Wolfgang Clement am nächsten Morgen, fügt aber hinzu, "für den ich menschlich Verständnis habe". Clement drängt Schleußer nicht zum Rücktritt, er steht dem alten Weggefährten von Johannes Rau sehr nahe. Es gibt allerdings auch in den eigenen Reihen nicht wenige, die zweifeln, ob man diese Linie durchhalten wird. "Wir haben die Glaubwürdigkeit der Witwe erschüttert, sie steht inzwischen selbst wegen Untreue im Zusammenhang mit der Erbschaft unter Druck", klagt einer, der die Sachlage gut kennt und stöhnt dann: "Und jetzt brechen wir da ein." Ein anderer erinnert an den quälenden Prozess, bis Rau den Weg für Clement freigemacht hat: "Hoffentlich erkennt Schleußer das, bevor die Öffentlichkeit sein Privatleben zerstört."

Während sich die Opposition im Untersuchungs-Ausschuss am Nachmittag müht, weitere Flüge mit weiblicher Begleitung auszumachen, was Schleußer ausgeschlossen hat, wird die IG-Metall-Zentrale in Oberhausen von Fotografen belagert. Dort arbeitet die damalige Begleiterin Schleußers.

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