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Politik: Fischer soll Gesundheitsreform retten

Minister bricht wegen Abstimmung im Bundestag USA-Reise ab / Angst vor Kosten treibt Menschen zum Arzt

Von Hans Monath

Berlin. Die rot-grüne Regierungskoalition ist sich ihrer eigenen Mehrheit im Parlament nicht sicher. Außenminister Joschka Fischer brach seine USA-Reise vorzeitig ab, um heute an der Abstimmung über die Gesundheitsreform im Bundestag teilzunehmen. Unterdessen gehen schon jetzt viele Bürger aus Angst vor der Reform zum Arzt. Die gesetzlichen Krankenversicherungen verzeichnen einen Ausgabenschub bei Arzneimitteln, Zahnersatz und Brillen. Dies gefährdet das Ziel von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), die Kassenbeiträge ab 2004 zu senken. Nach Ansicht der AOK wird der Spielraum dafür enger.

Von Hans Monath

und Maren Peters

Fischer wollte ursprünglich bis Samstag in den USA bleiben. Ein Regierungssprecher sagte, Schröder und Fischer hätten in New York die innenpolitische Debatte verfolgt und seien sich einig geworden, „wie wichtig die eigene Präsenz für die Durchsetzung der großen Reformprojekte" sei. Aus Koalitionskreisen hieß es, Fischer komme einem Wunsch Schröders nach. Grünen-Fraktionschefin Krista Sager sagte, die Entscheidung sei „kein Anzeichen für den Ernst der Lage“. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering bekräftigte den Anspruch auf eine eigene Mehrheit von SPD und Grünen. Mindestens eine Grünen-Abgeordnete und drei Sozialdemokraten kündigten ein Nein an, weitere Abgeordnete hatten sich noch nicht endgültig entschieden oder wollten sich enthalten.

Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen steigen derweil deutlich an. Allein bei den Arzneimittelkosten verzeichneten die Kassen im Juli ein Plus von 4,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Auch die Ausgaben für Zahnersatz und Brillen sind in den vergangenen Monaten nach Auskunft von Kassenvertretern deutlich gestiegen. Der Trend werde anhalten. Als Grund nennen Kassenvertreter die Unsicherheit der Versicherten, die nicht wüssten, auf welche Leistungen sie bald verzichten müssten.

Nach Ansicht von AOK-Sprecher Udo Barske wird durch die Kostenschübe der finanzielle Spielraum der Bundesregierung kleiner, die für Anfang 2004 angekündigten Beitragssatzsenkungen für die gesetzlichen Krankenkassen zu realisieren. Auch eine Sprecherin des Verbandes der Angestellten Krankenkassen spricht von „Warnsignalen“.

Die Reformkommission der CDU für die sozialen Sicherungssysteme („Herzog-Kommission“) befürwortet weit drastischere Einschnitte in das Leistungsniveau als bisher von der Regierung geplant. Mit der Privatisierung von Teilen der sozialen Sicherung will die Reformkommission die Sozialabgaben, die derzeit bei 42 Prozent des Bruttolohns liegen, auf Dauer unter 40 Prozent drücken. Dies ergibt sich aus dem Entwurf des Abschlussberichts der von Ex-Bundespräsident Roman Herzog geführten Kommission, der dem Tagesspiegel vorliegt. Das Papier soll am Montag offiziell verabschiedet werden.

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