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Angela Merkel und ihr damaliger Kanzleramtschef Ronald Pofalla stehen wegen der Verhandlungen im Herbst 2013 um ein vermeintliches No-Spy-Abkommen in der Kritik.

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Das Kanzleramt und die NSA-Affäre: Flisek: "Das No-Spy-Abkommen war eine Nebelkerze"

Für den Obmann der SPD im NSA-Untersuchungsausschuss, Christian Flisek, war das No-Spy-Abkommen von Beginn an nur ein Ablenkungsmanöver. Er fordert neue Standards und Aufklärung darüber, ob das Kanzleramt naiv war oder die Öffentlichkeit getäuscht wurde. Ein Interview.

Herr Flisek, Ronald Pofalla hatte im Sommer 2013 die NSA-Affäre für beendet erklärt und ein No-Spy-Abkommen in Aussicht gestellt. Jetzt stellt sich heraus, die angebliche Zusicherung der Amerikaner hat es nie gegeben. Wie bewerten Sie das?

Das angebliche No-Spy-Abkommen war aus meiner Sicht von Beginn an eine Nebelkerze des Kanzleramtes, die von den eigentlichen Problemen und Verantwortlichkeiten ablenken sollte. Offenkundig ging es vor allem um die kurzfristige Beruhigung der Öffentlichkeit. Es häte eigentlich jedem im Kanzleramt klar sein müssen, dass die Amerikaner so einem Abkommen wohl niemals zustimmen würden, denn nicht einmal zwischen dem Geheimdienstverbund der sogenannten "Five Eyes" gibt es eine solch weitreichende Vereinbarung. Und dass die USA Deutschland spätestens seit dem 11. September im Visier hatten, weil mit Mohammed Atta einer der Attentäter auf das World Trade Center aus Hamburg kam, ist auch klar gewesen.
Das heißt also, es ist naiv auch nur in Ansätzen an ein Abkommen zu denken?
Es wäre viel sinnvoller, über neue Standards bei der Überwachung nachzudenken. Denn zu glauben, man müsse allein Inländern mit allen Mitteln schützen, Daten von Ausländern seien aber „zum Abschuss freigegeben“, wie es ein Zeuge im NSA-Ausschuss formulierte, ist nicht zeitgemäß. Wir müssen erstmal selbst unsere Hausaufgaben machen. Und wenn wir es wirklich schaffen, völlig neue Standards zu setzen, dann wäre das auch etwas, was wir international vorzeigen könnten. Und vielleicht bewegt sich dann ein Partner – zum Beispiel auf der anderen Seite des Atlantiks. Der beste Schutz unserer Bürger wird dadurch erreicht, dass man der Tätigkeit der Dienste einen klaren gesetzlichen Rahmen gibt und konkreter Kontrolle unterwirft.

Christian Flisek ist Obmann der SPD im NSA-Untersuchungsausschuss.

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Werden die Vorgänge rund um das No-Spy-Abkommen nochmal eine Rolle im NSA-Ausschuss spielen? Ihr Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel spricht bereits von „Täuschung der Öffentlichkeit“.
Wir werden sämtliche Vorgänge umfassend behandeln und dazu gehört auch der Aspekt No-Spy-Abkommen. Das ist ein zentraler Teil unseres Untersuchungsauftrags. Herr Pofalla wird belegen müssen, ob es zu irgendeinem Zeitpunkt einen festen Beleg für die Bereitschaft der Amerikaner zu einem solch umfasenden No-Spy-Abkommen gegeben hat oder ob das nicht vor allem Wunschdenken in Wahlkampfzeiten war. Wir müssen klären, ob das Kanzleramt Äußerungen der US-Seite damals aus Naivität missverstanden hatte oder ob die Öffentlichkeit bewusst über die angebliche Bereitschaft der Amerikaner getäuscht wurde.

Christian Flisek ist Sprecher der SPD im NSA-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages. Mit ihm sprach Christian Tretbar.

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