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Muss sich Europa der Flüchtlingspolitik stärker annehmen?

© Emmanuel Dunand/AFP

Flüchtlinge und Asylbewerber: Ende der nationalen Debatten: Europa muss handeln

Beim Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt am Freitag haben Bund und Länder ihre innerdeutschen Probleme besprochen. Doch die Migration nach Europa und in Europa ist längst ein Thema für Brüssel. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albert Funk

Ein Gipfel macht noch keinen Sommer in der Asyl- und Flüchtlingspolitik. Wer sich von dem Treffen im Kanzleramt endgültige Antworten für einen längeren Zeitraum erwartet hat, befand sich in einer Illusion. Das Thema ist zwar, zumal angesichts des Dramas im Mittelmeer, hoch emotional besetzt. Das aber schließt eine rationale Herangehensweise nicht aus. Gerade diese mit der Flüchtlingspolitik stets verbundene Emotionalität (die bei Gegnern wie Anhängern einer größeren Offenheit vorhanden ist) verlangt die Rationalität der Verantwortlichen. Nüchternes Herangehen sollte nicht als „Kälte“ oder „Aussitzen“ denunziert werden.

Das darf freilich nicht bedeuten, dass man die Problematik steigender Flüchtlingszahlen einfach „wegverwaltet“, sie als Herausforderung für technokratische Lösungskompetenz betrachtet, die sich im Hin- und Herschieben von Zuständigkeiten und finanziellen Mitteln erschöpft. Und im Erhöhen von Mitarbeiterzahlen in den zuständigen Ämtern des Bundes und der Kommunen. Oder dass man die Chance nutzt, ohnehin vorhandene Verteilungskämpfe zwischen den staatlichen Ebenen zu entscheiden, weil die Flüchtlings- und Asylproblematik Handlungsdruck erzeugt.

Mehrere Flüchtlingsprobleme

Rational betrachtet gibt es ja mehrere Flüchtlingsprobleme, die man vernünftigerweise nicht zu sehr miteinander vermengt. Die Menschen, die ihr Leben riskieren, um aus Afrika nach Europa zu kommen, sind anders zu betrachten als Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien oder jene, die aus Afghanistan kommen und Zuflucht suchen. Und die Asylsuchenden vom Balkan sind wiederum eine eigene Gruppe. Das Reagieren auf „Anreizfaktoren“, die Innenminister Thomas de Maizière am Freitag nannte – etwa „vergleichsweise hohe Sozialleistungen“ – ist ja nun erkennbar sehr unterschiedlich. Und während syrische Flüchtlinge derzeit nahezu vollständig den Asylantenstatus zuerkannt bekommen, ist das bei Albanern so gut wie gar nicht der Fall. Es ist keineswegs inhuman, unterschiedliche Gruppen unterschiedlich zu behandeln, auch wenn niemand gern Nöte gegeneinander aufrechnet.

Grundsätzlichere Fragen

Der Gipfel in Berlin hat einige Maßnahmen auf den Weg gebracht, um mit dem Flüchtlingsstrom in Deutschland künftig anders umzugehen. Aber es stehen grundsätzlichere Fragen an. Und hier ist es an der Zeit, angesichts der globalen Dimension der Armuts- und Bürgerkriegswanderungen die Phase der nationalen Debatten und der europäischen Nothilfeaktionen zu verlassen und das Thema gründlich und gesamteuropäisch anzugehen. Nicht nur Deutschland braucht ein neues Einwanderungsrecht, sondern die gesamte Europäische Union muss darüber nachdenken, wie sie mit dem Thema als einer innenpolitischen wie auch außenpolitischen Herausforderung umgeht.

Und zwar nicht kurzfristig, da reichen die nationalen Maßnahmen, sondern mit weitem Blick. So ist EU-Parlamentspräsident Martin Schulz durchaus zuzustimmen, dass ein einheitliches europäisches Einwanderungsrecht nötig sei. Das klare Regeln setzt, auch für diejenigen, für die Europa ein „Sehnsuchtsort“ ist, mit dem sie das bessere Leben verbinden, das sie in ihrer Heimat nicht finden können. Der eigentliche Ort für kommende große Flüchtlingsgipfel ist daher nicht Berlin, sondern Brüssel.

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