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Arbeiter befestigen am 13.02.2016 am Konzerthaus in Berlin zahlreiche Rettungswesten. Der chinesische Künstler Ai Weiwei will damit an das Schicksal der vielen Flüchtlinge, die auf ihrem Weg nach Europa ertrunken sind, erinnern. Die Rettungswesten hatte er dazu von der griechischen Insel Lesbos bekommen.

© dpa / Jörg Carstensen

Flüchtlinge zwischen Türkei und Griechenland: Das Recht ist der Massenflucht nicht mehr gewachsen

Das EU-Türkei-Abkommen verletzt die Flüchtlingskonvention. Doch die EU sollte dazu stehen - und ihre Asylpolitik generell reformieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Barbara John

Es kam, wie es kommen musste: Nun hat auch die EU ihr „Nauru“. Das ist der Inselstaat im Pazifik, wohin Australien Asylsuchende bringt, die aus Asien kommend in Australien Asylanträge stellen wollen. Europas Nauru heißt Türkei, und der Rückschub dorthin ist bürokratisch aufwändig, schließlich hat Deutschland sich diese Prozedur ausgedacht. Australien macht es einfacher. Die Boote werden auf See in Schlepptau genommen und auf Inseln gebracht, wo die Flüchtlinge mehr schlecht als recht versorgt werden.

Diese Prozedur kehrt die Verhältnisse um: Nun entscheidet das Aufnahmeland, wer überhaupt kommen und einen Antrag auf Schutz stellen darf, anders als es nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) rechtsüblich ist. In Europa läuft der Vorgang etwas trickreicher ab, manche mögen es perfide nennen. Denn um den Schein aufrechtzuerhalten, jeder könne ja nach wie vor einen individuellen Asylantrag stellen, geschieht das tatsächlich in den griechischen Hotspots. Doch dann werden auch die Erfolgreichen, die Syrer, in die Türkei per Boot zurückgebracht, das nun als sicherer Drittstaat für Flüchtlinge gilt.

Zweifellos ist die Kritik berechtigt, der EU-Türkei-Pakt verletze die geltenden internationalen (GFK) und europäischen Flüchtlingsregelungen schwer. Warum das in Kauf genommen wird, liegt auf der Hand. Es ist die Massenzuflucht nach Westeuropa, die sich nicht mehr beherrschen lässt mit dem Asylanspruch jedes einzelnen im gewünschten Aufnahmeland. Dieses Instrument hat seine Trennschärfe verloren, wer wirklich wo Schutz braucht und wer nicht.

Europa sollte dazu stehen. Es wäre prädestiniert, eine weltweite Reform des Internationalen Schutz-und Hilfesystems für Flüchtlinge anzustoßen. Ziele: Alle sicheren Staaten müssen permanent viel mehr tun, akute Fluchtgründe zu vermeiden, zumindest zu mildern. Anrainerländer von Krisenländern brauchen großzügige Finanzierung bei der Flüchtlingsaufnahme. Anträge auf politisches Asyl können in Botschaften gestellt werden.

Das alles war 1951 noch nicht vorstellbar, als die GFK entstand. Heute könnte es Standard werden.

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