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Politik: Flüchtlingsdrama: Guinea will 3000 Flüchtlinge aus Liberia und Sierra Leone freilassen

Das Flüchtlingsdrama im westafrikanischen Staat Guinea hat sich am Dienstag offenbar etwas entspannt. Die Behörden in der Hauptstadt Conakry sicherten dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zu, die Flüchtlinge aus den benachbarten Konfliktländern Liberia und Sierra Leone freizulassen.

Das Flüchtlingsdrama im westafrikanischen Staat Guinea hat sich am Dienstag offenbar etwas entspannt. Die Behörden in der Hauptstadt Conakry sicherten dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zu, die Flüchtlinge aus den benachbarten Konfliktländern Liberia und Sierra Leone freizulassen. Bedingung der Regierung sei, dass die mehr als 3000 Festgehaltenen registriert und überprüft würden, teilte das UNHCR in Genf mit. Guineas Präsident Lansana Conte glaubt, dass sich unter ihnen Rebellen befinden, die für die jüngsten Attacken auf guineische Dörfer verantwortlich sind.

Zugleich wurde bekannt, dass am Montag der guineische Oppositionsführer, Alpha Conde, zu fünf Jahren Haft verurteilt worden ist. Der Führer der Volkspartei Guineas (RPG) soll angeblich einen Staatsstreich gegen Präsident Conte vorbereitet haben. Der Staatschef verdächtigt die Unterstützer Condes der Zusammenarbeit mit ausländischen Rebellen aus den Flüchtlingslagern. Conte warf seinem Rivalen Conde vor, seinen Sturz gemeinsam mit diesen Kämpfern vorzubereiten. Menschenrechtler sehen einen Zusammenhang zwischen der Verhaftungswelle gegen Flüchtlinge und dem Urteilsspruch. Der Präsident nutze die Wut seiner Bevölkerung, um von seinen Menschenrechtsverletzungen abzulenken, heißt es.

Der Prozess gegen den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Conde hatte das Land zwei Jahre lang in Atem gehalten. Solange musste er hinter Gittern auf einen Richterspruch warten; mehrfach haben Menschenrechtsverbände die Verschleppung des Prozesses kritisiert. Das Gerichtsurteil allerdings fiel milde aus, gemessen an der Forderung des Staatsanwaltes, der lebenslänglich verlangt hatte. Conde sei das Opfer einer illegalen Justiz und eines politischen Prozesses, sagte Seita Yaya, einer seiner politischen Freunde, nach dem Richterspruch. Man müsse nun Druck ausüben, um möglichst rasch seine Freilassung zu erreichen. Conde war im Dezember 1998 kurz nach den Präsidentenwahlen nahe der Grenze zur Elfenbeinküste verhaftet worden - die Stimmen waren zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht ausgezählt. Der Langzeitpräsident Lansana Conte konnte die Wahl wieder für sich entscheiden.

Liberias Staatschef Charles Taylor verurteilte die Ausländerhatz in Guinea, die Conte mit einer Brandrede am Wochenende ausgelöst hatte. Regierungstruppen umstellten am Dienstag die guineische Botschaft in Monrovia - wie es hieß, um sie vor Racheakten aus der Bevölkerung zu schützen. Im Radiosender BBC sprach der Polizeichef des Landes von zahlreichen Drohungen gegen guineische Staatsbürger. Die Regierung in Monrovia kündigte an, die Flüchtlinge aus Liberia schnellstmöglich zurückzuführen.

"Sie sollen nach Hause gehen!" hatte Präsident Conte am Samstag in einer Rede über die Flüchtlinge gesagt. 125 000 Liberianer und 330 000 Flüchtlinge aus Sierra Leone leben in Guinea, das selbst nur 7,5 Millionen Einwohner zählt. Es gebe Rebellen unter den Flüchtlingen, sagte der Präsident, und er gebe jetzt den Befehl, dass sich alle Ausländer in ihre Stadtviertel begeben, "damit wir wissen, wer was macht". Die Polizei von Conakry zögerte nicht lange und führte am Wochenende eine Großrazzia unter den Flüchtlingen durch. Sie verschaffte sich auf brutale Weise Zutritt zu den Häusern, kontrollierte Papiere und nahm 1000 Personen fest, darunter einige Flüchtlinge, die seit 30 Jahren im Lande leben. Um der Hatz zu entgehen flohen 2000 Sierra-Leoner auf das Gelände ihrer Botschaft.

Viele Bürger Guineas sehen die Kampagne durchaus kritisch. "Die Ausländer sollen jetzt die Sündenböcke sein", meinten Anwohner aus dem Stadtviertel Matam. Die Bevölkerung leidet vielmehr unter den gestiegenen Preisen für Benzin und die Matatus, die öffentlichen Kleinbusse. Von der Führung war kein Kommentar zu der Fremdenhatz von Präsident Conte zu hören. Brigadegeneral Conte, der 1984 nach dem Tod des Schreckensherrschers Sekou Toure die Macht in Guinea-Conakry übernommen hatte, gilt als unangefochten und in punkto Menschenrechte nicht als zimperlich.

Seit Monaten schon herrschte starke Nervosität in Conakry. Der Prozess gegen den 60-jährigen Oppositionspolitiker Conde hielt die Öffentlichkeit in Atem. Das Regime warf neben Conde 40 weiteren Mitangeklagten einen "Angriff auf die Autorität und Integrität des Staates" vor. Fast täglich war in den letzten Wochen die Innenstadt von Conakry von Soldaten für Taxis und Fahrzeuge gesperrt worden. "Conde wird heute verurteilt", hießen dann die Gerüchte - als eine Erklärung für die Absperrungen.

Präsident Conte bezeichnete Conde mehrfach als Anstifter der Grenzscharmützel, in die Guinea in den letzten Wochen mit den Nachbarstaaten Liberia und Sierra Leone verwickelt war. Die Regierung von Guinea wirft den Nachbarländern vor, seit Anfang September mehrere Übergriffe auf guineisches Territorium geduldet zu haben; dabei sollen insgesamt 80 Menschen getötet worden sein. In den Grenzgebieten von Liberia und Sierra Leone sind Rebellen der berüchtigten Vereinigten Revolutionären Front (RUF) aktiv.

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