zum Hauptinhalt

Fluggastdaten: EU-Parlament blockt Speicherung

Absage an einheitliche Sammlung von Fluggastdaten in Europa: Der Innenausschuss des Europaparlaments lehnte am Mittwoch einen entsprechenden Gesetzesentwurf ab. Welche Bedeutung hat das Votum?

Misst man es an den heftigen Reaktionen der unterlegenen Europaparlamentarier, ist am Mittwoch eine schwer wiegende Entscheidung getroffen worden: Abgeordnete der Europäischen Volkspartei warfen den sozialdemokratischen, grünen und linken Kollegen vor, den Kampf gegen den Terror zu untergraben. Wenn etwas passiere, „müssen Sie die Verantwortung tragen“, sagte die CSU-Abgeordnete Monika Hohlmeier. Die Mitte-Links-Parteien hingegen hielten der größten Fraktion, der die deutschen Unionsparteien angehören, vor, ein demokratisches Votum nicht zu akzeptieren. „Sie sind schlechte Verlierer“, rief ihr die niederländische Liberale Sophie in’t Veld zu. Der Innenausschuss des Europaparlaments in Brüssel hatte zuvor mit 30 zu 25 Stimmen den Gesetzesvorschlag der EU-Kommission abgelehnt.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass es in Europa gemeinsame Regeln zum Abfragen von Fluggastdaten gibt. Solche Systeme sind in insgesamt 16 EU-Staaten im Aufbau, in Großbritannien läuft die Speicherung von Passagierinformationen bereits. Für die EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström erklärte ihr Sprecher als Reaktion auf die Ausschussabstimmung, es sei weiterhin „extrem wichtig, dass unser Vorschlag so schnell wie möglich angenommen wird: Er ist die einzige Möglichkeit, um einen Flickenteppich an Regelungen zu vermeiden“. Der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss begründete seine Zustimmung ebenfalls damit: „Bei einem Flug von Frankfurt nach London werden jetzt schon Daten nach britischem Recht gesammelt. Bei einem Flug von Berlin nach Paris wird künftig französisches Recht zur Anwendung kommen“, so Voss: „Wer da behauptet, man hätte die Bürgerrechte des Einzelnen gestärkt, verkennt die Realität.“

Die Gegner der Richtlinie führten vor allem datenschutzrechtliche Bedenken ins Feld. Denn mit dem sogenannten Passenger Name Record erhalten die Ermittlungsbehörde eine ganze Fülle von Informationen. Es geht nicht nur um alle flugspezifischen Details, sondern auch die benutzte Kreditkartennummer, Kontaktpersonen oder Hoteladressen im Zielland sowie Informationen über frühere Flüge. Teil des Datenpakets sind auch der Wohnort und die E-Mail-Adresse. Es sollte allen Fahndern sechs Monate lang zur Verfügung stehen und dann in einer anonymisierten Form weitere fünf Jahre gespeichert werden – freilich mit der Möglichkeit, bei Bedarf wieder auf den Klarnamen zugreifen zu können.

Zum Austausch solcher Daten gibt es bereits Abkommen mit den USA und Australien, die ebenfalls hoch umstritten waren. Parlamentsberichterstatter Timothy Kirkhope von den britischen Torys, der mit der Konsenssuche gescheitert war, fragte: „Sind Amerikaner und Australier so viel besser als wir, dass wir denen Daten geben und uns selbst nicht?“ Das britische System etwa, das wie das geplante europäische nicht auf die Terrorfahndung beschränkt sei, sondern auch zur Jagd auf die Organisierte Kriminalität gedacht ist, habe geholfen, schon 57 Mörder, 175 Vergewaltiger, 25 Entführer, 397 Drogendelinquenten und 920 Gewalttäter zu überführen.

Der grüne Parlamentarier Jan-Philipp Albrecht erklärte, eine Zustimmung hätte einen „offenen Bruch der Rechtsprechung“ des Bundesverfassungsgerichts sowie der obersten Gerichte anderer EU- Staaten und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dargestellt: „Die automatische Rasterfahndung an Hand von Gefahrenprofilen ohne konkreten Verdacht und ohne richterlichen Beschluss wäre zur Norm geworden.“

Für die Konservativen beantragte der CSU-Abgeordnete Manfred Weber nach der verlorenen Abstimmung ein Votum im Straßburger Plenum. Bisher war eine Abstimmung aller Europaabgeordneten erst nach den Verhandlungen mit den im Ministerrat versammelten EU-Regierungen vorgesehen gewesen. Nun soll im Juni oder Juli das endgültige Votum stattfinden – im Normalfall freilich folgen die Abgeordneten den Empfehlungen des jeweiligen Fachausschusses. Allerdings sagte die SPD-Politikerin Birgit Sippel voraus, dass sich in ihrer Fraktion „Briten und Spanier schwer tun, das Ganze abzulehnen“. In London und Madrid hat es seit dem 11. September 2001 die schlimmsten Anschläge auf europäischem Boden gegeben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false