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Politik: Fordern und fördern

Frankreichs Innenminister Sarkozy schockiert mit harten Sprüchen – unterstützt aber auch Minderheiten

Sein Interesse für die Fragen der Einwanderer datiert nicht von gestern. Schon Anfang der 90er Jahre ging Nicolas Sarkozy in die Pariser Banlieues, die Hochhaus-Vororte, die durch die Unruhen der vergangenen Wochen zu traurigem Ruhm gekommen sind. Er suchte das Gespräch mit Bürgermeistern, Bewohnern und Sozialarbeitern. Was der heutige Innenminister dabei erfuhr, ließ in ihm, dem ambitionierten Nachwuchspolitiker, schon früh die Erkenntnis reifen: „Die Integration à la francaise scheitert.“

Dass Einwandererkinder sich in Frankreich nicht zu Hause fühlten, war für Sarkozy, den 1955 in Frankreich geborenen Sohn eines ungarischen Flüchtlings, „nicht zu begreifen“. Für sich zog Sarkozy daraus die Konsequenz, dass sich die Zukunft eines Politikers in den Agglomerationen um die großen Städte entscheidet. Wahlen werden nicht mehr in der Provinz gewonnen, dem „tiefen Frankreich“, an das François Mitterrand noch 1981 appellierte, sondern in den Ballungsgebieten, in denen sich die Probleme der Gesellschaft konzentrieren, lautet sein Credo. 2007 will er selbst Präsident werden.

Mit seinen Auftritten in den Banlieues hat Sarkozy ohne Zweifel provoziert. Doch ihm ist auch klar, dass man sich mit Law-and-Order-Sprüchen allein nicht zum Staatsmann aufbaut, sondern auch auf die Einwanderer zugehen muss. Schon 2002, als er zum ersten Mal Innenminister wurde, förderte er die Gründung des Islamrats, mit dem die in Frankreich lebenden Muslime erstmals eine offizielle Vertretung als Glaubensgemeinschaft erhielten. Er tritt für die Finanzierung des Baus von Moscheen aus öffentlichen Mitteln ein und setzte der Praxis der so genannten Doppelstrafe, der Ausweisung verurteilter Ausländer, ein Ende. Sie soll jetzt freilich im Fall einiger Randalierer wieder verfügt werden. Aufsehen erregte er mit der Forderung, das Stimmrecht für Ausländer bei Kommunalwahlen einzuführen.

Wenig Rücksicht auf das politisch Korrekte nimmt Sarkozy auch mit seinem Plädoyer für die „positive Diskriminierung“. Die französische Gesellschaft habe sich in den vergangenen 30 Jahren radikal verändert. Er verlangt daher den „Bruch“ mit dem Integrationsmodell, das zwar Chancengleichheit verheißt, sie aber nicht durchzusetzen vermag. Von Quoten für die Berücksichtigung von Minderheiten in der Schule, bei der Vergabe von Studienplätzen, der Besetzung von Stellen oder der Zuteilung von Wohnungen, wie es mit der „affirmative action“ in den USA praktiziert wird, spricht Sarkozy nicht. Doch viele andere Möglichkeiten existieren nicht, und schon jetzt gibt es in Frankreich „positive Diskriminierungen“. Das Pariser Institut für politische Wissenschaften (Sciences Po) etwa reserviert seit drei Jahren eine bestimmte Zahl von Plätzen für Schulabgänger aus den Banlieues. Wegen angeblicher Nivellierung dieser Elite- Hochschule hagelte es anfangs Proteste. Nun wird sie als beispielhaft gepriesen.

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