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© dpa

Frankreich: Jean im Glück

Die vorgesehene Ernennung von Jean Sarkozy, dem 23-jährigen Sohn des Staatspräsidenten, an die Spitze einer Behörde, die mit Milliardensummen umgeht, schockiert Frankreich. Das Land erlebt gerade besonders drastisch, was es heißt, den richtigen Papa zu haben.

Der ersten Empörung folgt nun bissiger Spott. Vor dem Elysée-Palast demonstrierten vier Jungsozialisten. Auf ihren handgemalten Kartons ersuchen sie Staatspräsident Nicolas Sarkozy, er möge sie doch bitte adoptieren. Denn ganz Frankreich hat begriffen, dass jemand, der Sarkozy heißt, ungleich bessere Chancen hat, als irgendein Durchschnittsbürger. Vor allem, falls dieser jung ist und weder über ein Diplom noch über die geringste Berufserfahrung verfügt.

Jean Sarkozy, einer seiner beiden Söhne aus erster Ehe, ist des Präsidenten Liebling und sein Protégé. Er hält seine väterlich schützende Hand über seinen Filius, der mit seinem steilen Aufstieg nun im Zentrum einer Polemik steht, die so schnell nicht abebben dürfte. Es sei niemals gut, wenn jemand „ohne Grund den Wölfen zum Fraß vorgeworfen“ werde, mahnte Vater Sarkozy die Kritiker am Dienstag nach dem Besuch einer Mittelschule, die den Namen von Napoleon I. trägt. Bei dieser Gelegenheit zitierte Sarkozy vor den Schülern einen seit Bonaparte geltenden Grundsatz, mit dem die Revolution die feudalen Privilegien beseitigt hatte: „Was seither zählt in Frankreich, ist nicht, dass jemand von vornehmer Geburt ist, sondern dass er hart arbeitet und durch Studium und durch Leistung den Beweis seines Werts erbringt.“

In den Ohren der Opposition tönt das im aktuellen Kontext wie eine Provokation. Denn was anderes hat der junge Jean Sarkozy, der mit dem Segen des Staatspräsidenten auf den außerordentlich einflussreichen Chefposten in einer Verwaltungsgesellschaft steigen soll, zu bieten außer seiner Herkunft und seinem Namen? Der gut aussehende 23-Jährige hat noch nicht einmal das zweite Jahr in seinem Rechtsstudium geschafft. Und ohne Protektion von Papa wäre er zweifellos nie in Neuilly-sur-Seine, wo einst auch der heutige Staatschef als Bürgermeister seine Karriere begonnen hatte, Mitglied des Departementsrats der Hauts-de-Seine und kurz darauf auch noch gleich Chef der dortigen Gruppe der Regierungspartei UMP geworden. Nicht ohne Widerspruch geht es jetzt durch, dass man ihm als ideales Sprungbrett für die weitere Laufbahn den zukünftigen Vorsitz der öffentlich-rechtlichen Gesellschaft Epad reserviert. Diese verwaltet das milliardenschwere Büroviertel La Défense, dessen Fläche demnächst von 160 auf 770 Hektar ausgebaut werden soll.

Inzwischen wird deutlich, dass der Schnellstart des Juniors im Elysée nicht nur wohlwollend beobachtet, sondern sehr aktiv unterstützt wurde. Der derzeitige Epad-Chef Patrick Devedjian wollte nämlich mit Zustimmung von Premierminister François Fillon die Verlängerung seines Mandats. Dazu musste nur das geltende Alterslimit von 65 Jahren beseitigt werden, was so gut wie beschlossen war, dann aber laut Presseberichten auf Weisung aus dem Elysée vereitelt wurde. Zuletzt musste noch ein Sitz im Epad-Verwaltungsrat für Jean Sarkozy vakant werden. Dies ermöglicht die Präsidentschaft, indem just einer der beiden bürgerlichen Vertreter des Departements Hauts-de- Seine, Hervé Marseille, rechtzeitig in ein anderes Amt befördert wurde. Jean Sarkozys „Wahl“ an die Epad-Spitze wäre im Dezember damit nur noch eine Formsache. Doch der öffentliche Druck macht zum Ärger der Sarkozys ein Problem daraus.

Diese krasse Bevorteilung des „Fils à Papa“ hat wenig zu tun mit der „mustergültigen Demokratie“, in der „die Nominierungen von jedem Vorwurf frei“ sein müssen, wie sie Nicolas Sarkozy 2007 als Präsidentschaftskandidat versprochen hatte. Sein Wahlgegner von damals, der Zentrumsdemokrat François Bayrou, spricht von einem „Machtmissbrauch, der so enorm ist, dass er die Franzosen schockiert“. Am schlimmsten aber sei es, dass am Hofe des Präsidenten „niemand sich getraut, ihm das zu sagen“. Nicht nur in der Opposition wird protestiert und gespottet. Auch der UMP-Abgeordnete Pierre Cardo sagte laut, was manche seiner Kollegen im Regierungslager denken: Dass dies bei den Wählern denkbar schlecht ankommt und dass es namentlich für unzählige Junge, die trotz langen Studienjahren und Diplomen keinen Job oder nicht einmal eine unbezahlte Praktikumsstelle finden, ein Affront sein muss, wenn da ohne Skrupel dem Präsidentensohn ein derartiger Führungsposten im reichsten Departement des Landes auf dem Silbertablett serviert wird.

Rudolf Balmer[Paris]

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