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Frankreich: Mahnung und Gedenken

Mit massiver Polizeipräsenz hat die Regierung in Paris auf das befürchtete Wiederaufflammen der Vorstadt-Unruhen vom letzten Jahr reagiert. Die Angst vor neuen Krawallen ist groß.

Paris - Nach Brandanschlägen auf Busse in den vergangenen Tagen kündigte Innenminister Nicolas Sarkozy die Mobilisierung "aller verfügbaren mobilen Einsatzgruppen" an, um Fahrgäste vor Übergriffen durch Randalierer zu schützen. In der Pariser Vorstadt Clichy-sous-Bois nahmen am Freitagvormittag rund 600 Menschen an einem Schweigemarsch für die beiden Jugendlichen teil, die vor einem Jahr auf der Flucht vor der Polizei in einem Stromtransformator umkamen. Ihr Tod war der Auslöser der Krawalle.

"Wir werden alles uns Mögliche tun, damit öffentliche Dienstleistungen nirgends auf dem Gebiet der Republik unterbrochen werden", sagte Sarkozy nach einem Treffen mit Vertretern der Verkehrsgesellschaften in Paris. Von Mittwoch auf Donnerstag waren im Großraum Paris vier Busse von Randalierern in Brand gesetzt worden. In einem Fall waren Fahrer und Passagiere mit Pistolen bedroht hatten, wobei aber nicht klar ist, ob es sich um echte Waffen handelte. In der Nacht zum Freitag blieb es relativ ruhig. Lediglich in Montfermeil im Département Seine-Saint-Denis gab es zu Ausschreitungen zwischen Polizei und Jugendlichen. Ein Polizeibeamter wurde durch Steinwürfe leicht verletzt, ein Auto wurde angezündet.

Unter großer Anspannung wurde von der Polizei die Nacht zum Samstag erwartet, als es nach dem Tod der beiden Jungen in Clichy-sous-Bois vor einem Jahr erstmals zu Krawallen gekommen war. 600 Menschen gedachten in dem Ort nordöstlich von Paris am Vormittag mit einem Schweigemarsch des 15-jährigen Bouna und des 17-jährigen Zyed, die in dem Transformator durch Stromschläge gestorben waren. Angeführt wurde der Marsch von mehreren Jugendlichen, die T-Shirts mit der Aufschrift "Umsonst gestorben" trugen. Neben den Familien der Opfer und Clichys Bürgermeister Claude Dilain nahm auch der Jugendliche teil, der das Unglück schwer verletzt überlebt hatte. Vor der Schule der beiden Jungen sollte eine Gedenkstele eingeweiht werden.

In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos gaben 59 Prozent der befragten Bürgermeister an, sie fürchteten in den kommenden Monaten neue Unruhen. Dabei hielten dies 17 Prozent für "absolut wahrscheinlich" und 42 Prozent für "ziemlich wahrscheinlich", wie es in der November-Ausgabe der Bürgermeisterzeitschrift "Courrier des maires" hieß. Besonders pessimistisch zeigten sich dabei die Bürgermeister von größeren Städten. 29 Prozent glaubten dagegen nicht an eine Wiederholung der Ereignisse vom Herbst 2005.

Royal: Staat muss Verantwortung nachkommen

Die sozialistische Präsidentschaftsanwärterin Ségolène Royal forderte, die Vorstädte müssten "mit anderen Augen" gesehen werden. "Es ist Zeit, dass Frankreich alle seine Kinder als legitim anerkennt", sagte sie dem Sender France Info. "Der Staat muss seiner Verantwortung nachkommen."

Bei den dreiwöchigen Krawallen vor einem Jahr hatte es Ausschreitungen in Städten im ganzen Land gegeben. Mehr als 10.000 Fahrzeuge gingen damals in Flammen auf, und 300 Gebäude wurden angezündet. Die konservative Regierung musste im November den Ausnahmezustand verhängen, um der Lage wieder Herr zu werden. (tso/AFP)

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