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Frankreichs Präsident Francois Hollande kommt mit seiner behutsamen Reform des Rentensystems den Gewerkschaften entgegen.

© Reuters

Frankreich: Reform im Schongang

Die Franzosen können weiterhin mit 62 in Rente gehen. Staatschef Francois Hollande will ihnen dafür höhere Beitragssätze zumuten.

Keine Reform, sondern ein Reförmchen – so lautet die Bilanz für die Pläne zur Erneuerung des französischen Rentensystems, welche die Regierung von Staatschef François Hollande jetzt vorgelegt hat. Noch im Wahlkampf vor eineinhalb Jahren hatte Hollande angekündigt, dass er eine dauerhaft sichere Grundlage für die Finanzierung des chronisch defizitären Rentensystems schaffen werde. Von einer Reform war die Rede, die über die Anpassungen des Rentensystems aus den vergangenen Jahrzehnten deutlich hinausgehen sollte. Seit einem Jahr hatte die Regierung von Premierminister Jean-Marc Ayrault dazu Experten angehört und sich mit den Sozialpartnern beraten. Doch was der Regierungschef am Dienstagabend nach letzten Gesprächen mit Gewerkschaften und Arbeitgebern als Ergebnis vorstellte, bleibt hinter den Ankündigungen weit zurück.

Als „ausgewogen“ und „gerecht“ bezeichnete Ayrault das Paket, das Mitte September von der Regierung als Gesetzesvorlage dem Parlament zugeleitet werden soll. Diese Wertung trifft insofern zu, als die Last der Reform zu je einem Drittel auf Arbeitnehmer, Arbeitgeber und die Rentner verteilt werden soll. Bei den von den konservativen Regierungen 2003 und 2010 durchgesetzten Reformen waren die Ruheständler noch ausgenommen gewesen. Dennoch sind Zweifel an der der neuerlichen Rentenreform angebracht, weil Ayrault auf grundlegende Eingriffe in die Struktur des Systems verzichten will. Die Regierung beschränke sich weitgehend auf „marginale Anpassungen“, lautete das Urteil der Zeitung „Le Monde“.

So soll an der gesetzlichen Altersgrenze nicht gerüttelt werden, die nach der von Streiks begleiteten letzten Reform vor drei Jahren bis 2017 schrittweise von 60 auf 62 Jahre angehoben wird. Dafür sollen die Beitragsdauer und die Höhe der Beitragssätze für Arbeitnehmer und Arbeitgeber angehoben werden.

Milliardenloch in der Rentenkasse

Um eine Rente ohne Abschläge zu beziehen, muss ein Arbeitnehmer statt der derzeit geltenden 41 Berufsjahre ab 2020 progressiv bis 2035 auf 43 Jahre steigende Beitragszeiten vorweisen.

Diese Verlängerung der Beitragszeiten wird nur auf lange Sicht dazu führen, dass das Loch in der Rentenkasse kleiner wird. Zur Finanzierung der Deckungslücke, die bis zum Ende des Jahrzehnts auf 20 Milliarden Euro veranschlagt wird, sind daher ab 2014 über vier Jahre hinweg progressive Beitragserhöhungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber vorgesehen. Diese Maßnahmen sollen auch für die Pensionskassen der Beamten sowie für die Sonderkassen bestimmter Berufsgruppen wie die der Eisenbahner gelten. Diese können jedoch weiterhin früher als Arbeitnehmer des privaten Sektors in Rente gehen.

Die Gewerkschaften sind insgesamt angesichts der Reformpläne einigermaßen zufrieden. Zwar müssen sie die Anhebung der Beiträge akzeptieren, doch die Anhebung des gesetzlichen Rentenalters ist vom Tisch. Lediglich die kommunistisch dominierte Gewerkschaft CGT will weiter wie geplant am 10. September gegen die Rentenreform demonstrieren.

Verärgerung herrscht dagegen im Lager der Arbeitgeber. Sie hatten auf eine längere Lebensarbeitszeit gesetzt. Als Ausgleich der Erhöhung der Rentenbeiträge war ihnen eine anderweitige Senkung der Lohnkosten in Aussicht gestellt worden. Die aber blieb aus. „Das ist keine Reform“, schimpfte folglich Pierre Gattaz, der Präsident des Arbeitgeberverbandes Medef.

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