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Frankreich: Ségolène Royal lässt alle hinter sich

Der eine gab sich als waschechter Linker, der andere als "moderner Sozialdemokrat". Doch statt Ex-Premier Laurent Fabius oder dem früheren Finanzminister Dominique Strauss-Kahn soll Ségolène Royal für Frankreichs Sozialistische Partei (PS) in die Präsidentschaftswahl im Frühjahr ziehen.

Paris - So hat es die PS-Basis in einer Urwahl am Donnerstag entschieden. Für die 53-Jährige mit dem pragmatischen Auftreten stimmte auf Anhieb eine Mehrheit der fast 219.000 Mitglieder. "Ségo" zieht mit unkonventionellem Vorstößen über Parteien und Programme hinaus Wähler an und könnte auch den Konservativen einen Teil des Bürgertums streitig machen.

Royals Erfolgsgeheimnis brachte Ex-Kulturminister Jack Lang auf eine schlichte Formel: Die Parteibasis wolle "Effizienz", sagte Lang, als die Sozialisten abstimmten. Die Urwahl sei der erste Schritt "unseres Marsches zur Rückgewinnung der Macht". Tatsächlich liegt die Regionalpolitikerin Royal in der Machtfrage seit einem Jahr vorn: Dann nämlich, wenn gefragt wird, wer aus dem linken Lager beste Chancen auf die Präsidentschaft hätte. Vor allem wäre sie die einzige, die den erwarteten Hauptgegner auf der rechten Seite des politischen Spektrums, Innenminister Nicolas Sarkozy, laut Umfragen schlagen könnte.

Schritt für Schritt

Anders als Fabius und Strauss-Kahn startete Royal ohne Hausmacht in der PS. Beharrlich schaffte sie es aber, die meisten der teils sehr einflussreichen Bezirksverbände und viele Spitzen-Sozialisten auf ihre Seite zu bringen. Ein beredtes Schweigen kommt von Parteichef François Hollande: Er ist seit einem Vierteljahrhundert privat mit Royal zusammen und Vater ihrer vier Kinder. Er will jeglichen Vorwurf der Parteilichkeit vermeiden.

Der mit feinem politischem Instinkt ausgestattete Obersozialist hat schon lange begriffen, dass seine Lebensgefährtin die Trumpfkarte des Paares ist - nicht er selbst. Denn Hollande mag ein begabter Strippenzieher und Koalitionsschmied sein, ein charismatischer Chef ist er nicht. "Ich bin schon Erster Sekretär", sagte er vor einem Jahr unter Anspielung auf seinen Parteititel, er könne auch "Erster Mann" im Elysée sein. "Damit habe ich kein Problem."

Offizierstochter mit hohen Zielen

Die Offizierstochter Royal stellte sich im Wahlkampf als Frau dar, die sich um die Sorgen der ganzen Bevölkerung kümmert. Mit jugendlichen Straftätern predigt sie einen harten Umgang, eine Reform der 35-Stunden-Woche ist für sie ebenso wenig tabu wie die leidige Lehrer-Abwesenheit in den Schulen. Für ihre Bewunderer hat Royal die Politikverdrossenheit der Franzosen verstanden und will die Menschen mit "partizipativer Demokratie" wieder einbinden. Für ihre Kritiker sind die Grenzen zu Populismus und gar Demagogie fließend.

Tatsächlich erscheinen Royal, die in der internen Kampagne Kanten zeigte und auch Schrammen abbekam, Prinzipien wichtiger als das PS-Programm: Gleichberechtigung von Frau und Mann etwa spielt in ihrem Wertesystem eine große Rolle, der Schutz der Familie oder ihr universales Lieblingsmotto von der "gerechten Ordnung". Wie Hollande absolvierte die am 22. September 1953 in Dakar geborene Royal die Pariser Elitehochschule ENA. Mit Hollande wechselte sie nach dem Sieg von François Mitterrand bei der Präsidentschaftswahl 1981 als Beraterin in den Elysée-Palast. Hollande widmete sich der Parteiarbeit, Royal übernahm wenig prestigeträchtige, aber für den Alltag der Franzosen wichtige Regierungsämter als Umwelt-, dann als Schul- und Familienministerin.

Royal mit Kurs auf die Mitte

Im Ausland bekannt wurde Royal im März 2004, als sie in der Heimat des damaligen Premiers Jean-Pierre Raffarin einen eindrucksvollen Sieg bei den Regionalwahlen errang. Damals gab es erstmals seit Mitterrands "rosa Frühling" von 1981 in ganz Frankreich eine absolute Mehrheit der Linken. Die nächste will Royal im Frühjahr schaffen - mit ihrem Kurs auf die Mitte. (tso/AFP)

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