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Politik: Freiheit mit Ausnahmen

Musharraf hebt den Notstand auf – viele Restriktionen gegen die Zivilgesellschaft aber bleiben

Berlin - Seit diesem Samstag gilt die Verfassung wieder, der sechswöchige Ausnahmezustand ist beendet. Doch auch wenn jetzt in Pakistan drei Wochen vor der Parlamentswahl sogar Kundgebungen und öffentliche Wahlkampfveranstaltungen gestattet sind, demokratische Verhältnisse sind nicht eingekehrt: Präsident Pervez Musharraf hat die Zeit seit dem 3. November genutzt, um seine Macht weiter auszubauen und potenzielle Gegner zu schwächen.

„Für die Justiz und die Medien hat sich mit dem Ende des Ausnahmezustands überhaupt nichts geändert“, sagt der Bürochef von Geo TV Network in der Hauptstadt Islamabad. Für die Medien würden weiter verschärfte Gesetze gelten, sagt der Journalist. Der Sender Geo TV ist nach wie vor nicht über Kabel zu empfangen – weil sich die Leitung weigert, bestimmte Moderatoren abzuziehen sowie den neuen Verhaltenskodex zu unterzeichnen. Der verbietet Kritik am Präsidenten; Musharraf darf zudem nicht als „zurückgetretener General“ bezeichnet werden. Seit seinem Putsch 1999 an der Macht, hat er das Amt des Armeechefs erst vor gut zwei Wochen widerwillig und auf Druck der USA hin abgegeben.

Musharraf hat den Ausnahmezustand nicht nur genutzt, um kritischen Medien einen Maulkorb zu verpassen, sondern setzte auch unabhängige Richter ab, allen voran den Vorsitzenden des Obersten Gerichts, Ifthikar Chaudhry. Der war für Musharraf zur ernsthaften Gefahr geworden: Es sah aus, als würde er auf der Auslegung der Verfassung bestehen, die es Musharraf untersagt hätte, in Uniform als Präsident bestätigt zu werden. Das hätte dessen Wiederwahl als Staatschef im Oktober nachträglich torpediert. Wie Chaudhry standen am Samstag noch viele Anwälte und Menschenrechtler, in Pakistan die eigentlichen Vertreter der Zivilgesellschaft, unter Hausarrest. Am Freitag hatte Musharraf noch durch eine eigenmächtige Verfassungsänderung den Wechsel der Richter quasi zementiert und dafür Sorge getragen, dass ein künftiges Parlament die Rechtmäßigkeit des Ausnahmezustands und der getroffenen Beschlüsse nicht infrage stellen kann.

„Die Zukunft der Richter und einer unabhängigen Justiz ist aber entscheidend für die demokratische Entwicklung“, sagt der Kolumnist der pakistanischen „Daily Times“, Abbas Rashid. Er hofft nach wie vor, dass es nach der Wahl am 8. Januar neue Machtverhältnisse gestatten, die alten Richter in ihre Ämter zurückzuholen. Allerdings sind die beiden Führer der großen Oppositionsparteien schon jetzt von vielen ihrer Forderungen abgerückt, um an der Wahl teilzunehmen.

Abgesehen davon, dass sich die beiden Ex-Premiers Nawaz Sharif und Benazir Bhutto nicht auf einen Wahlboykott einigen konnten: Was Bhutto betrifft, gehen viele Pakistaner ohnehin davon aus, dass ihr Deal mit Musharraf, der sie nach achtjährigem Exil wieder ins Land ließ, noch nicht zerbrochen ist. Bhutto, die kürzlich das Tischtuch zwischen sich und dem Präsidenten für unwiderruflich zerschnitten erklärte, hielt sich am Samstag wieder alle Optionen offen. Verliefen die Wahlen frei und fair, zitierte sie Geo TV, könnte sie möglicherweise mit Musharraf kooperieren. Damit dürfte Bhutto aber viele Pakistaner vor den Kopf stoßen. Das konservative amerikanische International Republican Institute präsentiert in seiner Umfrage von Mitte November in Pakistan ein für Musharraf wenig schmeichelhaftes Ergebnis. Mehr als 70 Prozent der Befragten waren gegen den Ausnahmezustand, fast 70 Prozent sehen, dass ihr Land sich in eine falsche Richtung bewegt. Und 72 Prozent wollen nicht, dass Musharraf Präsident bleibt.

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