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Brennende Nato-Fahrzeuge. Immer häufiger werden Tankwagenkonvois in Pakistan angegriffen. Foto: Arshad Arbab/dpa

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Politik: Freund und Feind

Die Zwischenfälle durch US-Truppen belasten das Verhältnis zwischen Washington und Islamabad schwer

Eine Woche dauerte es, bis sich die USA zu einer Entschuldigung durchrangen. „Wir entschuldigen uns zutiefst bei Pakistan und den Familien der Grenzposten, die getötet und verletzt wurden“, erklärte Anne Patterson, die US-Botschafterin in Islamabad. Auch das US-Militär gab sich zerknirscht. Washington blieb kaum etwas anderes übrig. Denn Pakistan, erbost über die wachsenden Grenzübergriffe der USA, hat der Nato kurzerhand den Hauptbenzinhahn zugedreht. Seit einer Woche hält Islamabad die wichtigste Versorgungsroute der Nato über den Khyber-Pass gesperrt, hunderte Nato-Laster stauen sich vor dem Grenzübergang Torkham oder sind auf Rastplätzen gestrandet. Zugleich gehen fast täglich ganze Nato-Konvois in Flammen auf. Selbst nahe der Hauptstadt Islamabad sind Nato-Lastwagen nicht mehr sicher.

Der pakistanische Taliban-Verband TTP reklamierte prompt, er habe die Anschlagsserie verübt. Aber gesichert ist das nicht. Die Schließung der Grenze trifft die Nato hart: 70 bis 80 Prozent ihrer gesamten Versorgung kommen via Pakistan nach Afghanistan – der Löwenanteil nimmt die Route über den Khyber-Pass direkt zur Bagram-Airbase nahe Kabul. Zwar beteuert die Nato, sie verfüge über ausreichend Vorräte am Hindukusch. Doch wie lange diese reichen, verschweigt sie. In Washington hofft man nun nach der öffentlichen Abbitte, dass Islamabad die Grenze alsbald öffnet und die Transporte wieder rollen.

Doch die jüngste Eskalation lässt keine Zweifel: Der Krieg greift zusehends auf Pakistan über. Die Obama-Regierung, die wie die anderen Nato-Länder auch so schnell wie möglich raus aus aus dem Hexenkessel Afghanistan möchte, trägt den Kampf immer massiver ins pakistanische Grenzgebiet, wo sie die gefährlichsten Gegner vermutet. Allein im September schickte Washington 22 unbemannte Drohnen los, um angebliche Terrornester in Pakistan zu bombardieren. Zum Vergleich: Im ganzen Jahr 2009 waren es nur 55. Auch am Donnerstag gab es einen Drohnenangriff. Bislang duldete Pakistans Militär diese Übergriffe, doch nun kommt der Zorn hoch. Die Pakistaner warnten die USA offen davor, das Bündnis zu gefährden: „Wir müssen sehen, ob wir Verbündete oder Feinde sind“, empörte sich Innenminister Rehman Malik.

Unbestritten ist, dass US-Kampfhubschrauber in jüngster Zeit mindestens drei Mal die Grenze zu Pakistan überflogen, um dort Jagd auf Aufständische zu machen, die zuvor angeblich Truppen in Afghanistan angegriffen hatten. Nach Angaben Islamabads feuerten die US-Helikopter dabei vorige Woche Raketen auf einen pakistanischen Grenzposten ab und töteten zwei oder drei Soldaten, die Warnschüsse abgegeben hatten. Bemannte Grenzüberflüge stellen eine neue Dimension dar. Dennoch taten sich die USA und die Nato mit einer Entschuldigung schwer. Sie beharrten zunächst darauf, dass sich ihre Leute verteidigt hätten.

Tatsächlich dürften die Hintergründe für die jüngste Eskalation tiefer reichen. Hauptziel der US-Drohnenattacken ist Nordwasiristan, wo das Terrornetzwerk von Jalaluddin Haqqani und seines Sohnes Sirajuddin seine Basis hat. Von dort aus greifen ihre Milizen immer wieder die Nato-Truppen in Afghanistan an. Die Haqqanis sollen laut US-Medien Kontakte zu Al Qaida und den Taliban unterhalten. Ihnen wird unter anderem der Anschlag auf das Nobelhotel Serena in Kabul Anfang 2008 angelastet. In einem gezielt gestreuten Papier warf Washington Islamabad nun erneut vor, nicht hart genug gegen die Militanten vorzugehen. US-Medien behaupten, dass Pakistans Geheimdienst ISI seine schützende Hand über die Haqqanis hält. Angeblich will Pakistan sie als Trumpf in der Hinterhand behalten, um sich nach Abzug der Nato-Truppen aus Afghanistan Einfluss und Macht am Hindukusch zu sichern.

Umgekehrt sehen die USA im Haqqani-Netzwerk derzeit die größte Hürde für eine Lösung am Hindukusch und damit einen baldigen Abzug. Sie wollen es offenbar zerschlagen oder so weichklopfen, dass seine Führung einlenkt und zu Gesprächen bereit ist. Pakistanische Quellen verbreiteten, die USA hätten bereits Kontakt zu den Haqqanis aufgenommen, um Chancen für einen Deal auszuloten. Sicher scheint, dass bereits Sondierungsgespräche mit der Gruppe um Taliban-Führer Mullah Omar laufen. Omar, der sich ebenfalls in Pakistan versteckt hält, gilt als pragmatischer und moderater als die Haqqanis. Bereits im Juni soll es ein erstes Treffen von Abgesandten gegeben haben, Anfang dieser Woche traf sich Afghanistans Präsident Hamid Karsai mit verschiedenen Unterhändlern in Kabul.

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