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Politik: Friede den Mutigen

Von Clemens Wergin

Nun kämpft Jassir Arafat seinen letzten Kampf im Exil. Dort, wo er die meiste Zeit seines Lebens verbracht hat: außerhalb seines Palästinas, das er für sein in alle Winde verstreutes Volk zurückgewinnen wollte. Erst mit der Waffe, dann mit Verträgen, zuletzt wieder mit der Waffe. In jenen zehn Jahren, die Arafat an der Spitze dieses Provisoriums mit dem Namen Autonomiebehörde stand, war er nie richtig heimisch geworden im Politikeralltag. Der hat mehr mit Müllabfuhr und weniger mit Maschinengewehren zu tun, mit Kindergärten und Knöllchen statt Kalaschnikows und kugelsicheren Westen. Und so wandelte er sich am Ende wieder zum Revolutionär, der die Jugend zum Dschihad gegen Israel aufrief. Zu einem aussichtslosen Kampf, den die Palästinenser nicht gewinnen konnten.

Die Zeit nach Arafat birgt Chancen – und viele Gefahren. Zunächst geht es darum, einen Machtkampf innerhalb der Fatahbewegung zu verhindern. Nur eine geeinte Führung, die neben den alten Gefährten Arafats, Mahmud Abbas und Ahmed Kurei, auch die jüngeren Führungsfiguren einschließt, wird Stabilität herstellen können. Das ist umso wichtiger, als die Autonomiebehörde nach Israels Abzug aus Gaza bald eine Auseinandersetzung mit der Hamas und rebellischen Fraktionen der AlAqsa-Brigaden bestehen muss.

Und doch ist es wie eine ironische Wendung des Schicksals. Der Mann, der so oft den richtigen Zeitpunkt verpasste, verlässt jetzt gerade noch rechtzeitig die politische Bühne. Plötzlich kommen viele Dinge zusammen, die Hoffnung auf eine Wiederaufnahme des Friedensprozesses machen. Der Gaza-Rückzugsplan des israelischen Premiers Ariel Scharon nimmt gerade die letzten Hürden in der Knesset. Weil Scharon in Zukunft nicht mehr so einfach behaupten kann, keinen Partner auf palästinensischer Seite zu haben, wird er sich zu Verhandlungen über Israels Rückzug genötigt sehen. Gleichzeitig ist klar, dass US-Präsident George Bush weitaus mehr tun muss, die nahöstlichen Konfliktparteien auf einen Weg zum Frieden zu bringen. Amerikanischen Präsidenten fällt das in der zweiten Amtszeit leichter. Sie müssen sich nicht mehr um eine Wiederwahl sorgen, sondern um ihren Platz in der Geschichte kümmern. Viel wird also davon abhängen, ob Bush sich des historischen Moments bewusst wird. Und ihn ergreift.

Aber zuerst müssen die Palästinenser die Basis für eine Wiederaufnahme des Friedensprozesses schaffen. Auch wenn es unwürdig erscheint, Arafat in einem künstlichen Zustand zwischen Leben und Tod zu halten, so ist doch auch das politisch: Arafat hat seine Nachfolge nicht geklärt. Dies muss jetzt nachgeholt werden, damit die Machtfrage entschieden ist, wenn die Führer der Welt zur Beerdigung anreisen.

Als der gemäßigte Mahmud Abbas vor eineinhalb Jahren der erste palästinensische Premier wurde, scheiterte er auch an der Weigerung Scharons, ihn mit Zugeständnissen zu stärken. Solch ein Fehler darf sich nun nicht wiederholen. Die Übergangsregierung benötigt alle Unterstützung, die sie erhalten kann. Auch damit die neue Führung möglichst bald den Mut aufbringt, sich durch Wahlen legitimieren zu lassen.

Israel wird in den nächsten Monaten eine Menge Druck aus Europa und den USA erfahren, den Palästinensern entgegenzukommen. Scharon wird sich dann möglicherweise nach seinem Intimfeind Arafat zurücksehnen. Schließlich hat ihm der stets die besten Vorwände geliefert, unnachgiebig zu bleiben.

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