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Politik: „Friede kommt nicht mit Gewalt“

In seiner letzten Weihnachtsansprache geißelt Bundespräsident Johannes Rau den Krieg und die Tyrannei des Ökonomischen

Als Johannes Rau am 4. September bekannt gab, im Mai 2004 nicht für eine zweite Amtszeit als Bundespräsident zur Verfügung zu stehen, mahnte er zugleich sich selbst und die Deutschen. Höchst aktiv wolle er bleiben, sagte Rau damals, sich selbst und seinen Themen treu – bis zum Mai und darüber hinaus. In seiner letzten Weihnachtsansprache aus dem Berliner Schloss Bellevue, die am ersten Weihnachtsfeiertag im Fernsehen ausgestrahlt wird, löst Rau diesen Anspruch ein.

Seine Themen: Frieden, Menschlichkeit, Gemeinsinn. An zwei aktuellen Ereignissen macht der Bundespräsident seine Haltung deutlich. Zunächst spricht er über den Irakkrieg. „Erschüttert und entsetzt“ seien die meisten Deutschen gewesen. Und doch freue man sich über das Ende einer schrecklichen Diktatur. Nur habe der Feldzug erneut belegt, dass „mit Waffen allein die Probleme der Welt nicht zu lösen sind. Friede kommt nicht mit Gewalt.“

Rau wäre aber nicht Rau, wenn auf den Idealisten nicht sofort der Realist folgen würde. „Gewiss gibt es Situationen, in denen wir Freiheit und Recht auch mit Waffen schützen müssen.“ Zum innenpolitischen Hauptthema des Jahres, den Reformen, merkt Rau an, letztlich habe es „die Bereitschaft zum gemeinsamen Handeln gegeben. Das sollten wir nicht kleinreden.“

Die Debatten über tief greifende Veränderungen in Deutschland sind für den Bundespräsidenten zugleich der Anlass, in sehr deutlichen Worten vor der Übermacht ökonomischer Kategorien in allen Lebensbereichen zu warnen. „Wir müssen aufpassen, dass nicht unser gesamtes gesellschaftliches Leben immer mehr nach den Mustern von Wirtschaftlichkeit und Effizienz geprägt wird“, sagt Rau. Worte wie Bilanz, Kapital und Ressource gehörten in die Wirtschaft, nicht in die Familien – sonst würden Kinder noch einer Kosten-Nutzen-Rechnung unterzogen. „Wenn wir alle Lebensbereiche nur noch nach wirtschaftlichen Gesetzen formen, geraten wir in eine Sackgasse“, sagt Rau. Bildung sei „mehr als bloße Funktionsertüchtigung“. Krankenhäuser seien „keine Gesundheitsmaschine“, „Familie ist kein Betrieb“. Es gehe ihm, sagt Rau, um den „Wärmestrom, von dem wir leben“. Um Verpflichtungen, Solidarität, Engagement und Hingabe – also um all das, was in keiner Effizienzrechnung auftauche. Aber an Weihnachten.

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