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Politik: Frustfaktor große Koalition

Bei der Kommunalwahl in Schleswig-Holstein gehen von Berlin und Kiel keine positiven Impulse aus

Vor allem für die schleswig-holsteinische SPD wird diese Kommunalwahl ein Tag der Wahrheit. Vor fünf Jahren hatte sie viele Mehrheiten in Kreistagen und Rathäusern verloren, erzielte mit landesweit 29,3 Prozent nur ein enttäuschendes Ergebnis, während die CDU auf 50,8 Prozent kletterte. Am morgigen Sonntag nun droht auch Ungemach von der anderen Seite: Die Linke ist plötzlich mit über 1000 Mitgliedern zu einem ambitionierten Bewerber geworden. Keine SPD-Veranstaltung hatte im hohen Norden verzeichnete so viel Zuspruch wie die Auftritte von Gregor Gysi oder Oskar Lafontaine bei den Linken.

2,33 Millionen Schleswig-Holsteiner sind aufgerufen, sich an den Kommunalwahlen zu beteiligen. SPD-Landeschef Ralf Stegner sagt kleinlaut: „Wir sind nicht Favorit.“ Doch er weiß, dass es für die SPD in erster Linie darum gehen muss, die 21,5 Prozentpunkte Abstand zur Union zu verkleinern. Gelingt das nicht, hat der SPD-Spitzenmann als Herausforderer für den Ministerpräsidenten und CDU-Landesvorsitzenden Peter Harry Carstensen bei den Landtagswahlen 2010 ein beträchtliches Problem.

Stegner weiß als Fürsprecher von Bundesparteichef Kurt Beck, dass es auch darum geht, die Abwärtsspirale der Sozialdemokraten in der derzeitigen politischen Stimmung aufzuhalten. Vor fünf Jahren hatte die Partei ihr Wählerreservoire nur ungenügend ausgeschöpft. Viele von der Agenda-Politik unter Bundeskanzler Schröder enttäuschte Nordlichter blieben zu Hause. Das will die SPD diesmal verhindern. Mit einem aufwendigen Haustürwahlkampf bringt man sich in Erinnerung. Auch Stegner selbst geht im Endspurt mit Blumen auf die Straße.

Letzte Station in Carstensens Wahlkampf ist das Lübecker Marktfest. In der Hansestadt regierte die CDU trotz eines SPD-Bürgermeisters zuletzt mit absoluter Mehrheit und wird diese nach jüngsten Umfragen verlieren. Doch nicht etwa die Sozialdemokraten dürften davon am meisten profitieren, sondern Linke, Bündnis 90/Grüne, eventuell die FDP und neue Bürgerlisten. Andernorts sitzt die Union fester im Sattel. Schafft es die SPD in insgesamt 1089 Gemeinden nur noch auf 511 Listen, belegt die CDU immerhin noch 564. Angesichts zunehmender Politikverdrossenheit wird es für die beiden großen Volksparteien immer schwieriger, geeignete Kandidaten zu finden.

Neben der großen Koalition im Bund ist auch speziell das Bündnis aus CDU und SPD auf Landesebene ein zunehmender Frustfaktor. Inhaltlich gehen kaum Akzente vom Landeskabinett aus. Die SPD blockiert CDU-Vorhaben, die Union passt auf, dass die SPD inhaltlich nicht punkten kann. Die Verwaltungsstruktur- und die Kreisgebietsreform, die den hoch verschuldeten Landeshaushalt entlasten könnten, werden wegen regionaler Proteste auf die lange Bank geschoben. Das gleiche gilt für die gebührenfreien Kita-Jahre. Ein groß angekündigter Bürokratieabbau, der ebenfalls der Haushaltskonsolidierung dienen soll, lässt bis heute auf sich warten, lediglich ein paar Verordnungen wurden gestrichen. Immer wieder gibt es Ideologiestreitigkeiten zwischen SPD und CDU in der Frage der Schulstruktur. Auch dass die Zuwendungen im kommunalen Finanzausgleich gekürzt wurden, brachte der Landesregierung keine Sympathiepunkte ein.

Nach einem müden Wahlkampf ist mit einer verhaltenen Wahlbeteiligung zu rechnen. Davon profitieren könnten am ehesten kleinere Parteien und Bündnisse. Nachdem die Fünf-Prozent-Hürde gefallen ist, wird ohnehin in viele Parlamente Bewegung kommen.

Dieter Hanisch[Kiel]

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