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Politik: Fünfe sind nicht gerade

Von Gerd Nowakowski

Er wird das Foto verfluchen: der Senator hoch droben auf dem Elefanten beim Grundstein für den stolzen Traum vom Tempodrom, als König von Kreuzberg. Denn zuweilen landet man unsanfter unten als geplant. Und manchmal enden Träume als Albträume und kosten viel Geld. Der Fall Tempodrom ist ein Lehrstück über den politischen Größenwahn in Berlin nach dem Mauerfall und die Vorstellung, alles sei möglich, wenn die politisch Verantwortlichen nur richtig wollen.

Am Anfang, als die Mauer noch scheinbar unerschütterlich stand, war das Tempodrom mit seinem Zirkuszelt auf schlammigem Gelände das schöne Märchen vom alternativen Berlin. Bis der Zirkus von seinem Platz am Kanzleramt vertrieben wurde und der kühne Plan eines steinernen Zelts entstand in einer Zeit, als im wiedervereinten Berlin so viele Träume blühten, dass kühle Buchhalter keine Chance hatten. Das war die Zeit, als die in Berlin regierende CDU-SPD-Koalition einen stolzen Bankenkonzern schaffen wollte. Der Konzern begann mit großer Geste – und endete mit einem Milliardenverlust.

Wer studieren will, wie der Berliner Filz jahrzehntelang funktioniert hat, der findet alles, was dazugehört, auf den jetzt vorgelegten 1095 Seiten des parlamentarischen Untersuchungsberichts. Da sind die persönlichen Bekanntschaften zwischen den Beteiligten, ein Geflecht der gegenseitigen Gefälligkeiten und großzügigen Versprechungen; da sind leichtfertige und überforderte Bauherren, und da ist eine Verwaltung, die ihrer Prüfpflicht nur unzureichend nachkommt. Und man findet vor allem ehrgeizige Politiker wie Peter Strieder, die ihre Macherqualitäten unter Beweis stellen wollen, notfalls auch an der Informationspflicht gegenüber dem Parlament vorbei. Das ist das Klima, in dem ein Skandal wachsen kann – und ein Skandal bleibt es, auch wenn die SPD-PDS-Koalition das immer noch anders sieht. Denn der Bau mit seiner stolzen Krone hat mit 33 Millionen Euro nahezu doppelt so viel gekostet wie geplant, und der Steuerzahler hat dafür aufkommen müssen.

Zwei Jahre nach Strieders Rücktritt ist viel bekannt über die Kette von Fehlleistungen. Die nicht allein die SPD zu verantworten hat: Die in den neunziger Jahren mitregierenden Christdemokraten hatten ebenfalls ihren Anteil. Es waren Senatoren der CDU, die leichtfertig die Zusage zu jener fatalen Landesbürgschaft gaben, mit der das Unheil begann. Aber es war eben der Sozialdemokrat Strieder, der sich zum Fürsprecher des privaten Projekts aufschwang und es gegen alle Widerstände zu seinem persönlichen Erfolg machen wollte. Illusionäre Konzepte, trickreiche Umwegfinanzierungen und eine ungenügende Kostenkontrolle haben das Desaster erst möglich gemacht.

Dafür hat Senator Strieder im April 2004 die politische Verantwortung übernommen – übernehmen müssen: Es war Strieder, der dafür sorgte, dass dem schlechten Geld immer weiter gutes Geld hinterhergeworfen wurde. Schon vergessen, dass Strieder und Finanzsenator Thilo Sarrazin nur knapp einem Prozess wegen Untreue entgingen? Anklage wurde nur deswegen nicht erhoben, weil durch Zufall dem Land Berlin kein Schaden entstand, als die Senatoren bewusst am Parlament vorbei die Investitionsbank des Landes Berlin anwiesen, dem Tempodrom eine erneute Finanzspritze zu gewähren. Glück gehabt, Berlin.

Ein Mentalitätswechsel sieht anders aus. Genau diesen Mentalitätswechsel aber hatte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit versprochen, nachdem die SPD 2001 den Bankenskandal geschickt genutzt hatte, um aus der ungeliebten Koalition mit der CDU auszubrechen. Als es aber ums Tempodrom ging, war von Wowereit nichts zu hören, da ließ er Strieder den Vortritt. Einen politischen Rivalen hat er sich damit vom Hals schaffen können; glaubwürdiger wurde er dadurch nicht. Darüber aber wurde am Donnerstagabend im Berliner Abgeordnetenhaus nicht gesprochen. Wie auch. Bürgermeister Klaus Wowereit hatte sich die Debatte da schon gespart und das Abgeordnetenhaus verlassen.

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