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Präsident Abdel Fattah al Sisi hat sein Land anderthalb Jahre nach dem Umsturz durch die Armee wieder auf die internationale politische und ökonomische Bühne zurückgeführt.

© Reuters

Für 40 Milliarden Euro: Ägypten plant eine neue Hauptstadt in der Wüste

Die ägyptische Regierung hat große Pläne: Sie freut sich über hohe ausländische Investitionen in die Wirtschaft - und will in den nächsten fünf bis sieben Jahren östlich von Kairo eine völlig neue Hauptstadt aus dem Wüstenboden stampfen.

Auf allen Fotos sieht man Präsident Abdel Fattah al Sisi zufrieden lächeln. Aus ägyptischer Sicht war die dreitägige Investitionskonferenz im Badeort Sharm al Sheikh ein großer Erfolg. Der starke Mann am Nil hat anderthalb Jahre nach dem Umsturz durch die Armee sein Land wieder auf die internationale politische und ökonomische Bühne zurückgeführt - trotz der harten Unterdrückung im Inneren, der steigenden Zahl von Bombenanschlägen und der wachsenden Terrorgefahr. Mindestens 40 Milliarden Euro wurden von den angereisten Staats- und Konzernchefs für die kommenden Jahre zugesagt.

IWF-Chefin Christine Lagarde dämpfte die Euphorie

Die meisten Vorhaben sind im Öl- und Gassektor, in der Stromerzeugung sowie in der Immobilienbranche. Dagegen mangelt es an Investitionen in Industrie, Produktion und Landwirtschaft, die die meisten Arbeitsplätze schaffen und der breiten Bevölkerung zugute kommen. IWF-Chefin Christine Lagarde dämpfte daher die Euphorie der am Roten Meer versammelten ägyptischen Machtelite und warnte, Wirtschaftswachstum müsse inklusiv sein, als auch bei Frauen und jungen Leuten ankommen. „Hochgesteckte Ziele lassen sich nicht durch Wunschdenken, sondern nur durch harte Arbeit und Ausdauer erreichen“, zitierte sie die populäre ägyptische Musikikone Umm Kulthum.

Aus Deutschland angereist war Sigmar Gabriel. Der Wirtschaftsminister überbrachte Sisi die lang ersehnte Einladung von Kanzlerin Angela Merkel zu einem Staatsbesuch in Berlin. Damit rückt die Bundesregierung von ihrer bisherigen Linie ab, den Ex-Feldmarschall erst nach der Wahl eines neuen Parlamentes zu empfangen. Das für Ende März geplante Votum in Ägypten musste kürzlich auf den Herbst verschoben werden, weil das Verfassungsgericht Teile des von Sisi dekretierten Wahlgesetzes annullierte. Zu Gabriels Delegation gehörte auch Siemens-Chef Joe Kaeser, dessen Konzern den Bau eines Gas- und Dampfturbinenkraftwerks sowie mehrerer Windkraftanlagen vereinbarte.

Präsident Abdel Fattah al Sisi kommt zum Staatsbesuch nach Deutschland

Mit der Visite Gabriels geht Deutschland erstmals wieder auf Ägypten zu, nachdem die deutsche Diplomatie den neuen Machthabern nach dem Umsturz im Juli 2013 bisher die kalte Schulter zeigte. Die Beziehungen zwischen Kairo und Berlin sind vor allem belastet durch die üble Menschenrechtslage unter dem neuen Regime sowie die Unterdrückung jeglicher politischer Opposition. Schwer verärgert hat die Bundesregierung auch die Schließung der Konrad-Adenauer-Stiftung sowie das Vorgehen gegen die Friedrich-Naumann-Stiftung. Der damalige Kairoer Leiter der CDU-nahen Einrichtung wurde im Juni 2013 in Abwesenheit zu fünf Jahren Haft, eine Mitarbeiterin zu zwei Jahren Haft verurteilt. Und bislang macht Ägyptens Justiz keine Anstalten, die Skandalurteile aufzuheben und den Streit beizulegen.

Fünf Millionen Menschen sollen in der neuen Hauptstadt leben

Dagegen überraschte die ägyptische Führung in Sharm al-Sheikh ihre 90 Millionen Landsleute mit dem glitzernden Großmodell einer neuen Hauptstadt, die in den nächsten fünf bis sieben Jahren in der Wüste östlich von Kairo entstehen soll. Federführend ist der Investmentkonzern Capital City Partners aus Dubai, der am Golf mit dem Burj Khalifa das bisher höchste Gebäude der Welt errichtete. Der ägyptische Bauminister Mostafa Madbouly pries das Projekt als "Quelle von Stolz und Inspiration für die jungen Ägypter". Nach seinen Angaben belaufen sich die Kosten allein für die erste Phase bis 2022 auf 40 Milliarden Euro, über deren Finanzierung er sich allerdings ausschwieg.

Kairo mit seinen 20 Millionen Menschen platzt aus allen Nähten

Präsidentenpalast, Ministerien, Verwaltungsgebäude, Börse und Banken sowie ausländische Botschaften sollen in die neue Retortenstadt umziehen, die laut Modell eine Skyline mit Wolkenkratzern wie die Metropolen am Golf bekommen wird. Fünf Millionen Menschen sollen hier einmal auf einer Fläche von 700 Quadratkilometern wohnen, einem Stadtgebiet fast so groß wie Berlin. Denn die bisherige Metropole Kairo mit ihren 20 Millionen Menschen platzt aus allen Nähten. Ihre Infrastruktur ist extrem zerrüttet, die Müllabfuhr eine Katastrophe, viele Brücken und Häuser sind baufällig. An den Rändern wuchern große Slumviertel, der Autoverkehr ist ein täglicher Albtraum. Seit mehr als zehn Jahren versucht Ägypten, eine dritte U-Bahn Linie fertigzustellen, die den heutigen Flughafen mit der Innenstadt verbindet.

Kritiker sind entgeistert von den Plänen

In der neu ausgerufenen Hauptstadt dagegen sind nicht nur ein weiterer Großflughafen geplant, sondern auch Universitäten, Moscheen, 2000 Schulen, 600 Krankenhäuser, ein Technologiepark sowie ein Solarkraftwerk. "CC" - für "Capital Cairo" haben enthusiastische Befürworter auf Twitter das neue Gigaprojekt ihres Präsidenten getauft. Andere im Netz dagegen reagierten entgeistert: "Unsere Dubai-besoffenen politischen, militärischen und ökonomischen Eliten wollen sich abkehren von einer tausende Jahre alten Geschichte und so tun, als sei Ägypten ein unbeschriebenes Blatt", schrieb Khaled Fahmy, bekannter Historiker an der American University in Kairo. "Sie sehnen sich nach einem neuen Ägypten – mit einer neuen Hauptstadt und mit einem neuen Volk."

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