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Politik: Fußball, Sex und Sklaverei

Die bundesweite Kampagne „Stoppt Zwangsprostitution“ will vor der WM gezielt Männer ansprechen

Berlin - Was haben eine Bischofskonferenz, eine Arbeitgeber-Tagung und eine Fußball-Weltmeisterschaft gemeinsam? Bei allen diesen Großereignissen werden Frauen verstärkt zur Prostitution gezwungen, sagt Konrad Freiberg. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei wählt bewusst den provokanten Vergleich. Denn Freiberg ist einer der Unterstützer der Kampagne „Stoppt Zwangsprostitution“, die im Hinblick auf die Fußball-Weltmeisterschaft das Bewusstsein für das Problem der Zwangsprostitution schärfen will – insbesondere den Blick der männlichen Fans.

„Wir werden gezielt Männer, die sexuelle Dienste in Anspruch nehmen, ansprechen“, sagte Elvira Niesner vom Verein „Frauenrecht ist Menschenrecht“, der die bundesweite Kampagne angestoßen hat und koordiniert. Im Vorfeld und während der Fußball-Weltmeisterschaft soll vor allem in den WM-Städten auf Plakaten, durch Flyer und in Anzeigen auf die Not der Frauen hingewiesen werden. In den Stadien sollen die Motive aber nicht zu sehen sein, schließlich wolle man den Fans nicht die Freude am Spiel verderben, so Niesner bei der Vorstellung der Kampagne am Mittwoch in Berlin.

Die Motive hat die Werbeagentur Saatchi & Saatchi unentgeltlich entworfen. Auf ihnen sind zum Beispiel eine Trompete oder ein Astloch zu sehen, daneben der Slogan „Rein, Raus?“. Die Motive sollen das Bewusstsein der möglichen Kunden von Zwangsprostituierten schärfen. „Das ist das Mindeste, was wir verlangen dürfen“, sagte Heide Simonis, die als Vorsitzende von Unicef Deutschland die Schirmherrschaft für die Kampagne übernommen hat. Zwangsprostitution werde immer noch zu sehr als „Kavaliersdelikt“ wahrgenommen, obwohl es sich tatsächlich um ein „gesellschaftliches Problem“ handle, sagte Simonis. „Die Frauen, um die es geht, sind Sexsklaven, die alle Rechte verloren haben.“

Ob und in welchem Umfang die Zwangsprostitution während der WM ansteigen wird, wird seit Monaten diskutiert. Oft war von bis zu 40 000 zusätzlichen Zwangsprostituierten die Rede, die aus Osteuropa eingeschleust werden könnten. Doch weder Bundeskriminalamt noch Deutscher Städtetag wollen die Schätzung bestätigen. Die Organisatoren von „Stoppt Zwangsprostitution“ vermieden solche Zahlenspekulationen weitgehend. Martin Rosowksi, Geschäftsführer der Männerarbeit der Evangelischen Kirche hält es aber für „unstrittig“, dass die Zahlen steigen werden und verweist auf Erfahrungen mit der Expo 2000 in Hannover. Freiberg wiederum nennt 370 Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandels allein für das Jahr 2004, geht aber von einer weit höheren Dunkelziffer aus. „Wir haben die Zwangsprostituierten zu Zehntausenden im Land“, ist er sich sicher. Für Männer, die glauben, Dienste einer solchen Prostituierten in Anspruch genommen zu haben, soll im Rahmen der Kampagne im Übrigen eine Hotline eingerichtet werden, bei der sie anonym Hinweise geben können.

Unklar bleibt, ob bis zur WM ein Gesetz zum besseren Schutz dieser Frauen verabschiedet wird. Simonis sagte, Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) habe ihr zugesagt, „einen weiteren Anlauf“ zu nehmen. Jedoch herrscht in der SPD Skepsis, vor allem, was die Strafbarkeit von Freiern angeht. Die sei „schwierig festzustellen“, sagte Christoph Strässer, Mitglied im Ausschuss für Menschenrechte. Dagegen erneuerte Siegfried Kauder (CDU) seine Hoffnung, dass der Bundestag ein Gesetz noch vor der WM verabschiede.

Jens Poggenpohl

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