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G-8-Gipfel: Kostenlose Arztbesuche in Sambia

Die Bilanz, ein Jahr nach den Hilfsbeschlüssen der G8, ist gemischt. Der Schuldenerlass erntet Lob, Kritik gibt es an den Zahlungen zur Entwicklungshilfe.

Berlin - Bono war begeistert: Den "Anfang vom Ende extremer Armut" sagte der irische Rockmusiker voraus, nachdem die sieben führenden Industrienationen und Russland (G8) vor einem Jahr auf ihrem Gipfel im schottischen Gleneagles bahnbrechende Beschlüsse gefasst hatten: Ein Schuldenerlass in Höhe von rund 40 Milliarden Dollar für die ärmsten Länder der Welt und die Aufstockung der Entwicklungshilfe um rund 50 Milliarden Dollar jährlich bis 2010 waren die wichtigsten davon. Zwölf Monate später fällt vor dem nächsten G-8-Gipfel im russischen St. Petersburg die Bilanz durchwachsen aus: Gelobt wird vor allem der Schuldenerlass, der 19 Ländern inzwischen tatsächlich millionenschwere Zahlungen erspart. Die Entwicklungshilfe dagegen fließt nach Ansicht von Kritikern weiter zu spärlich.

Allein, dass ein G-8-Gipfel in seinem Abschlussdokument konkrete Daten und Zahlen nannte, war ein Novum. Der größte Erfolg von Gleneagles ist dabei der Schuldenerlass, auch wenn seine tatsächliche Umsetzung fast ein Jahr dauerte. 19 vor allem afrikanische Länder sind seit dem 1. Juli ihre Schulden bei internationalen Organisationen wie Weltbank und Währungsfonds los.

Lebenssituation vieler armer Menschen verbessert

In Sambia beispielsweise werden mit dem eingesparten Geld Ärzte und Krankenschwestern bezahlt, die die Landbevölkerung kostenlos behandeln. Tansania kann nun Lebensmitteleinfuhren bezahlen, um 3,7 Millionen Menschen vor dem Hunger zu bewahren. Und in Nigeria, dem seine Schulden allerdings in anderem Zusammenhang erlassen wurden, sollen jetzt 120.000 Lehrer eingestellt und 3,5 Millionen Kinder zur Schule geschickt werden.

Auch Hilfsorganisationen sind zufrieden. "Der Schuldenerlass hat Wirkung gezeigt und die Lebenssituation vieler armer Menschen verbessert", urteilt Oxfam. "Es werden mehr Kranke gerettet, es gehen mehr Kinder zur Schule und es gibt mehr Mediziner", lobt auch der irische Rocker Bob Geldof, der sich zusammen mit seinem Kollegen Bono für die Dritte Welt einsetzt.

Von vielen werden allerdings weiterhin die strengen Kriterien für den Schuldenerlass kritisiert, wegen deren Nichterfüllung rund zwanzig der ärmsten Länder bislang außen vor blieben. "Die Schuldenlast zerstört dort mehr Schulen und Krankenhäuser als jeder Krieg", beklagt die afrikanische Organisation Afrodad. Zudem betraf der Erlass von Gleneagles nicht alle Schulden. Hinzu kommt eine neue Gefahr: Die Zusatzkosten wegen des steigenden Ölpreises drohen nach einem Bericht der Weltbank inzwischen die Finanzvorteile durch den Schuldenerlass aufzufressen.

Versprechungen zur Entwicklungshilfe nicht eingelöst

In Sachen Entwicklungshilfe fällt die Bilanz von Gleneagles schlechter aus. Nach den Berechnungen der Lobbygruppe DATA liegen die G-8-Staaten bislang um fast vier Milliarden Dollar pro Jahr hinter ihren Versprechungen. Besonders Deutschland sei bei den Hilfen für Afrika zurückgefallen: Die Lücke zu den Zusagen betrage 660 Millionen Euro allein für 2006, heißt es in dem DATA-Bericht. Dieser sei wenig aussagekräftig, hält Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) dagegen und verweist auf 1,9 Milliarden Euro, die Deutschland allein 2005 für Afrika zur Verfügung gestellt habe.

Das Zahlengestrüpp ist schwer zu durchschauen. Denn allzu gerne rechnen die G8 alle möglichen Hilfen, Erlasse und Zahlen in ihren Entwicklungsbilanzen zusammen: So werden Schuldenstreichungen als Zahlungen verbucht und Sonderleistungen wie nach dem Tsunami auf längst vereinbarte Quoten angerechnet. Der Trick fand sich bereits im Gleneagles-Beschluss. Denn nach Angaben von Aktivisten handelt es sich allenfalls bei der Hälfte der genannten 50 Milliarden Dollar um Neuzusagen.

Ein wirklich heißes Eisen aber wurde auch in Gleneagles nur ganz vorsichtig angefasst: Die Handelsbarrieren, unter denen die Dritte Welt zu leiden hat. Freier Marktzugang würde 100 Milliarden Euro zusätzlich für die Entwicklungsländer bedeuten. Doch hier geht es um handfeste Wirtschaftsinteressen - konkrete Zusagen wird es daher so schnell nicht geben. (tso/AFP)

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