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Politik: G-8-Gipfel: Machtträume und Raketenpläne

Wladimir Putin und George Bush - Russlands Staatschef und der US-Präsident sind die entscheidenden Kontrahenten in der Frage, ob es zur Verwirklichung der amerikanischen Raketenabwehrpläne (MD) kommt. In Genua haben die beiden eine weitere Möglichkeit zum Austausch.

Wladimir Putin und George Bush - Russlands Staatschef und der US-Präsident sind die entscheidenden Kontrahenten in der Frage, ob es zur Verwirklichung der amerikanischen Raketenabwehrpläne (MD) kommt. In Genua haben die beiden eine weitere Möglichkeit zum Austausch. Für Bush ist es der erste G-8-Gipfel. Putin beeindruckte die G-7-Staatschefs bereits im vergangenen Jahr in Okinawa mit seinem Durchsetzungswillen.

Anders als bisher geht es Moskau beimG-8-Gipfel in Genua offenbar weniger um Kredite als um eine politische Dividende. Putin fliegt mit einer umfangreichen Prioritätenliste für das internationale Krisenmanagement an die ligurische Küste: Zum einen will Moskau im Nahen wie im Mittleren Osten Positionen zurückgewinnen, wie sie die Sowjetunion besaß. Deutliches Signal ist eine persönliche Botschaft, in der Putin am Donnerstag dem irakischen Diktator Saddam Hussein nochmals eine umfassende Hilfe bei der Aufhebung des UN-Embargos zusagte.

Der gemeinsame Kampf gegen den internationalen Terrorismus, mit dem Moskau nach wie vor versucht, permanente Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien zu rechtfertigen, sollte nach Meinung Putins auch in Genua im Zentrum der Beratungen stehen. Ansonsten, so der Kremlchef auf der ersten Jahrespressekonferenz eines russischen Präsidenten am späten Mittwochabend, würde es auf dem jetzigen Gipfel weniger um Politik, sondern um "allgemein Menschliches" gehen: Möglichkeiten zur Überwindung der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich oder moralische Aspekte der Gentechnik.

Zum anderen will der Kreml künftig auch in Europa wieder gleichberechtigt mitreden. Das aber funktioniert, wie Moskau durchaus richtig erkannt hat, nur, wenn die OSZE einen Teil der Kompetenzen an sich zieht, die bisher die Nato hat. Aus gutem Grund fällt Moskaus Kritik an der geplanten neuen Nato-Erweiterung daher seit kurzem eher schaumgebremst aus.

Mit bisher beispielloser Vehemenz monierte Putin dagegen nicht erledigte Hausaufgaben der OSZE: Statt Betriebsamkeit im Kaukasus und in Zentralasien zu entwickeln, solle sich die Organisation lieber um das kümmern, wozu sie eigentlich gegründet wurde - zur Wahrung von Sicherheit und Stabilität in Europa.

Präsident Putin wiederum wird selbst Mühe haben zu erklären, dass die strategische Allianz mit Peking, die beim Besuch von Chinas Staatschefs Jiang Zemin durch einen umfassenden Freundschaftsvertrag völkerrechtlich fixiert wurde, sich nicht, wie es zu Wochenbeginn formuliert wurde, "gegen Dritte richtet".

Für George W. Bush persönlich, der jeden Tag mit einem langen morgendlichen Gebet beginnt, wird der Höhepunkt seiner zweiten Europa-Reise der Besuch im Vatikan bei Papst Johannes Paul II. sein. Das Treffen soll am kommenden Montag stattfinden. Das politische Programm von Genua dagegen betrachtet der amerikanische Präsident eher als eine Pflichtübung.

In deren Zentrum steht die zweite Begegnung mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Darin geht es in erster Linie um die geplante Raketenabwehr (MD) und um den angekündigten Ausstieg aus dem ABM-Vertrag von 1972 zur Begrenzung nuklearer Verteidigungssysteme. Die Position der Bush-Administration dazu ist glaskar. Der Aufbau einer Raketenabwehr verlangt eine "maximale Flexibilität". Deshalb soll der ABM-Vertrag nicht durch ein anderes Abkommen ersetzt, sondern gekündigt werden. "Wir wollen nicht noch einmal ein 300-Seiten-Dokument ausarbeiten wie im Kalten Krieg", sagt ein Mitarbeiter des Weißen Hauses. Das US-Verteidigungsministerium wurde mit dem entsprechenden Budget ausgestattet. Sämtliche Planungen, etwa über weitere Abschuss-Tests, lassen den ABM-Vertrag schon jetzt unberücksichtigt. Die Bush-Regierung meint es ernst und lässt an ihrer Entschlossenheit auch keinen Zweifel.

Überdies ist sie der Auffassung, dass die russischen Einwände gegen MD unberechtigt sind, weil die Fähigkeiten des russischen Atomwaffenarsenals durch die amerikanische Raketenabwehr erst gar nicht beeinträchtigt werden. Trotzdem hat Washington angeboten, Moskau etwa bei dem Aufbau von eigenen Radar-Frühwarnanlagen zu helfen.

Als zweites wird Bush gegenüber Putin wohl die Irak-Sanktionen ansprechen. Moskau hatte unlängst sein Veto im UN-Sicherheitsrat für den Fall angekündigt, dass die Briten und Amerikaner den Plan für ein neues, "intelligenteres" Sanktionssystem einbringen würden. Die russische Wirtschaft profitiert inzwischen erheblich von den gegenwärtigen Sanktionen, von deren Auswirkungen jedoch insbesondere die irakische Zivilbevölkerung betroffen ist.

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